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Lesereise Sizilien

Lesereise Sizilien

Titel: Lesereise Sizilien
Autoren: Natalie John
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mich. Guckt streng. Der Trommelwirbel wird schneller, die Ungeduld wächst.
    »Pesce alla brace«, sage ich wild entschlossen, damit er endlich geht. Keine Minute später steht er schon wieder da. Mit einer Platte voller Fische, glitschig, schuppig, glubschäugig. Ich soll mir meinen aussuchen, meint er.
    »Scelga Lei«, sage ich. Er soll aussuchen, sicherlich hat er schon häufiger in die Augen toter Fische geblickt als ich.
    »No, signorina«, sagt er so streng, als hätte ich ihn dazu aufgefordert die Banca di Sicilia zu überfallen.
    Ich deute auf den Erstbesten, den ich wenig später herrlich gewürzt mit frischen Kräutern und einem Hauch von Knoblauch zurückbekomme.
    Fleisch spielt keine besonders große Rolle in der traditionellen sizilianischen Küche. Die meisten konnten es sich einfach nicht leisten. Involtini allo spiedo, gefüllte und überbackene Kalbsröllchen am Spieß, die Carlo ordert, bilden eine rühmliche Ausnahme. Auch die salsiccia alla brace, mit Fenchel gewürzte Würste vom Grill, schmecken lecker.
    »No, scusi, signore«, Carlo ruft den Trommler zurück, er hat sich umentschieden und bestellt statt involtini lieber falsomagro, das er gerade erst auf dem menu entdeckt hat. Das »falsche Magere« ist ein Kalbsrollbraten, gefüllt mit Käse, Salami, Eiern und Zwiebeln.
    Cecilia wählt Couscous, Arabien lässt grüßen. Es wird hier im Gegensatz zu Afrika ausschließlich mit Fisch zubereitet. Dazu wird harissa gereicht, eine scharfe Sauce.
    »Probier doch mal«, fordert Cecilia hinterlistig und hält mir eine Löffelspitze hin. Um den Brand in meinem Gaumen zu löschen, muss ich anschließend eine halbe Flasche Wasser, aqua naturale senza gas, nachschütten.
    »Ein Essen ohne Wein ist wie ein Tag ohne Sonne«, sagt ein sizilianisches Sprichwort, zum pranzo und cena gibt’s außer Wasser immer vino. Wir haben einen Corvo Bianco aus der Provinz Palermo bestellt, den bekanntesten Wein der Insel. Gibt’s auch noch als Corvo Colomba Platino oder Corvo Rosso. Gerne getrunken werden die Muskateller aus Noto und Syrakus, die Ätna-Weine, der weiße Ciclopi-Mazzullo, der Castelricci, der Eloro Bianco, die Roten San Salvador und Sparviero. Neue Sterne am Weinhimmel sind die guten Tropfen der Barone Planeta von Santa Cecilia. Alastro, La Segreta Bianca, Santa Cecilia, bei Agrigent werden die im Moment wohl besten Weißen und Roten der Insel gekeltert. Aber man kann getrost auch zum vino sfuso, dem offenen Hauswein, greifen, denn die Sizilianer mit ihrer fruchtbaren Erde und den sonnenverwöhnten Trauben haben Panschereien gar nicht nötig. Am bekanntesten ist wohl der bernsteinfarbene Marsala, ein kompliziert hergestellter Dessertwein, von dem schon Garibaldi schwärmte. Seit Ende des 18. Jahrhunderts gibt es ihn. Ein findiger Engländer stellte fest, dass das Klima von Marsala dem von Jerez und Porto glich, ein paar Jahre später brachte er schon die erste Ladung nach London. Admiral Nelson war hellauf begeistert und orderte ihn gleich als Bordverpflegung. Während der Prohibition pappten die Winzer ein Schild mit der Aufschrift »for hospital use only« auf die Flaschen und exportierten weiter. Inzwischen hat Cinzano die Finger drauf. Schon vorher waren die Trauben dieser Gegend wegen ihrer Qualität berühmt. Eine besondere Spezialität ist der Marsala alle mandorle, Marsala mit Mandelaroma. Und nach dem Essen genehmigt man sich am besten einen limoncello, einen Zitronenlikör, so goldgelb, als sei ein ganzer Sonnentag eingefüllt. Als alles weggeräumt ist, kehrt der Trommler mit seinem Block zurück.
    »Un dolce, signori?« Wehe, wenn nicht, sagt sein Blick. Cecilia schnauft tief, ich auch. Tapfer sage ich dann laut und deutlich ja. Auch Cecilia nickt. Jetzt ist es auch schon egal. Obwohl, die süßen Sachen sind gemeingefährlich.
    »Bene«, sagt der Trommler und geht. Kurze Zeit später kommt er zurück mit einem Tablett voller Süßigkeiten. Cannoli, in Schmalz knusprig gebackene Teigrollen mit einer Füllung aus süßem Ricotta, Mandeln, Haselnüssen und Pistazien. Dazu Mandelgebäck, Marzipanfrüchte. Cubbaita, zusammengebackene Sesamkörner mit karamelisiertem Zucker überzogen. Für jeden ein Stück cassata palermitana, eine Art Torte und eine Portion spumoni, Schaumgefrorenes aus Schokolade und Zitrone.
    »Caffè, signori?« Er lässt nicht locker. Cecilia bestellt einen kleinen, starken Schwarzen, Luigi und Carlo leisten sich noch einen caffè corretto, einen Espresso mit alkoholischem
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