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Lesereise Sizilien

Lesereise Sizilien

Titel: Lesereise Sizilien
Autoren: Natalie John
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Klinke in die Hand, im 11. Jahrhundert standen die Normannen vor der Tür. Vom Papst unterstützt, machten sie sich über Sizilien her. Sie verschmolzen alles bisher Dagewesene mit der römisch-christlichen Kultur. Doch die Blüte war nur von kurzer Dauer. Die Zugehörigkeit zum Heiligen Römischen Reich unter Friedrich II. bedeutete, dass Sizilien nicht mehr Zentrum des Mittelmeers, sondern nur noch Randerscheinung des Abendlandes war. Nach dem Tod Friedrichs II. im Jahre 1250 herrschte fünfzehn Jahre Gesetzlosigkeit, bis der Papst die Insel dem Meistbieter verkaufte. 1265 erklärte er den Franzosen Karl von Anjou zum König über Sizilien. Ihm folgte eine Reihe weiterer Herren, die die Insel ausbeuteten und die Steuern hochtrieben, um im Luxus baden zu können. Neapel wurde statt Palermo zur neuen Hauptstadt des Reiches erkoren. Danach waren die Spanier an der Reihe. Das Haus Aragon übernahm die Herrschaft über die Insel. Neue Herrscher, altbekannte Sitten. Luxuriöser Lebensstil, finanziert durch maßlose Steuern und Abgaben. Die Bevölkerung litt, hungerte und verelendete. Aufstände wurden blutig niedergeschlagen. Im 15. Jahrhundert wütete die Inquisition, immer häufiger fielen Piraten ein, im 15. und 16. Jahrhundert tobte die Pest, im 17. Jahrhundert kam ein gewaltiger Ätna-Ausbruch dazu, im 18. Jahrhundert war Sizilien vollkommen am Ende. Das Haus Savoyen regierte vorübergehend, von Neapel aus die Bourbonen, die Ausbeutung ging weiter. Noch im 18. Jahrhundert, als Goethe auf seiner italienischen Reise in Taormina Station machte, gab es dort nur eine Karawanserei, wo Mensch und Maultier gemeinsam nächtigen mussten. Garibaldis Risorgimento brachte Sizilien keine Besserung, außer dass die Insel jetzt zum vereinten Italien gehörte. Nach dem Ersten Weltkrieg blieb ebenfalls alles so miserabel wie gehabt. Im Zweiten Weltkrieg war Sizilien Schauplatz einer großen Landeoffensive der Alliierten, im Schlepptau kam die Mafia. Nach der Ausrufung der italienischen Republik 1947 erhielt die Insel eine »auf einem Sonderstatus basierende regionale Autonomie«.
    »Ciao bella!«, Leonardo wittert Beute. Eine große Blonde stolziert an ihm vorbei. Noch ziemlich bleich. Gut so! Gerade erst angekommen. Der Pirat rückt sein Tuch zurecht und heftet sich an ihre Fersen. Wäre doch gelacht, wenn sich die Schöne nicht erobern ließe …

»E Lei, signorina?«
Von Meeresschnecken, süßen Weinen und ungeduldigen Kellnern
    Jedes Mal, wenn ich von Sizilien zurückkomme, habe ich drei Kilo mehr auf der Waage. Mindestens. Im Winter vier. Oder fünf. Es geht schon mit dem Frühstück los. Noch warme, nach Hefe duftende und mit Vanillesahne gefüllte brioches – bei diesem Duft vergisst man das Kalorienzählen. Dazu latte di mandorle, Mandelmilch, die trotz ihres hohen Zuckergehalts ausgesprochen durstlöschend ist.
    Gegen 13 Uhr geht es weiter. Der Sizilianer isst üppig, lange und ausgiebig. Ich auch, wenn ich in Sizilien bin. Ich bin mit Cecilia, Luigi und Carlo beim pranzo. Es beginnt relativ harmlos. Mit caponata, der Nationalvorspeise aus verschiedenen Gemüsesorten und Auberginen mit einer pikanten Sauce aus Tomaten, Sellerie, Kapern, Oliven und Essig. Cecilia hat cuore di carciofi arrostiti alla brace, gegrillte Artischockenherzen, bestellt, Luigi einen Mix aus den mindestens fünfundzwanzig verschiedenen Vorspeisensorten zusammengestellt. Dann kommt’s dicke. Die Nudelabteilung. Für paste con le sarde könnte ich auf vieles verzichten, dampfende Nudeln mit einer Sauce aus Sardinen, Zwiebeln, Safran, Olivenöl, Fenchel, Rosmarin und Pinienkernen. Cecilia wählt die spaghetti con le fave verdi e finocchio, Nudeln mit grünen Saubohnen und wildem Fenchel. Mezza porzione, eine halbe Portion. Carlo entscheidet sich für die pasta alla norma, Nudeln mit geschmorten Tomaten und Auberginen, dazu Ricotta. Die ganze Meereswelt Siziliens duftet aus Luigis spaghetti maredolce, mit Thunfisch, Rosinen und Pinienkernen. Leider gab’s gerade keine spaghetti mit den ricci di mare, einer Sauce aus Seeigeln, meine zweitliebste pasta.
    »E come secondo?«, fragt der Kellner, nachdem wir die Nudelteller geleert haben, und trommelt ungeduldig mit dem Bleistift auf seinem San-Pellegrino-Werbeblock herum.
    In den Küstenorten gelangt alles auf den Tisch, was aus dem Meer kommt. Selbst vor Algen macht man nicht Halt. Aber die schmecken! Luigi nimmt babbaluci, frisch eingetroffene Meeresschnecken. Wer’s mag.
    »E Lei, signorina?« Er meint
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