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Lesereise Paris

Lesereise Paris

Titel: Lesereise Paris
Autoren: Rudolph Chimelli
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hätte noch lange so weitergemacht, wenn es ihn nicht gestört hätte, dass er sich nichts kaufen konnte. »Viele junge Leute sehen nach einigen Jahren beruflicher Provisorien den Unterschied zwischen einer qualifizierenden Ausbildung und einem Schein-Praktikum nicht mehr«, sagt eine Fortbildungsexpertin. Einer ihrer Kollegen schreibt der »sozialen Behandlung der Arbeitslosigkeit den perversen Effekt zu, dass sie bestimmte Leute von der Arbeit weiter entfernt, statt dass sie ihnen bei der Eingliederung hilft«. Eine Psychose der Abhängigkeit entsteht. Man ist nicht einmal mehr bereit, sein Amüsement selber zu organisieren. »Ich bin siebenundzwanzig Jahre alt«, sagte der Sohn algerischer Einwanderer der Zeitung Journal du Dimanche . »Ich war nie in Ferien. Ich habe nie das Meer gesehen, die Berge oder das Land.« Er lebt seit seiner Geburt in Narbonne, fünfzehn Kilometer vom Strand des Mittelmeers und fünfundzwanzig Kilometer vom Fuß der Pyrenäen entfernt.
    Seit es in Frankreich Einwanderer gibt, war die sprachliche und kulturelle Assimilierung das Rezept. Aus den Kindern von Italienern, Polen, Deutschen, Spaniern und Portugiesen wurden rasch Franzosen. Bei den harkis , den nach Frankreich geflüchteten algerischen Hilfstruppen, versagte das Modell erstmals, obwohl gerade sie gern richtige Franzosen geworden wären. Als Präsident Nicolas Sarkozy noch Innenminister war, besuchte er nach tagelangen und besonders schweren Unruhen den Pariser Vorort Argenteuil und versicherte, er werde das Gesindel ( racaille ) mit dem Hochdruckreiniger ( Karcher ) wegräumen. Die Medien waren entrüstet über seine Sprache, aber bei den Wählern half es ihm. Nachdem er ins Elysée einzog, änderte sich nichts. Es gibt nur, wie eh und je, neue Förderprogramme.

Nachsatz
    Die Berichte, aus denen dieses Buch besteht, sind seit 1982 in der Süddeutschen Zeitung erschienen, überwiegend als Reportagen auf der Seite Drei, aber auch als Hintergrundartikel, als kurze Glossen, im Feuilleton oder in der Wochenendbeilage. Für die Auswahl war Haltbarkeit eines der wichtigsten Kriterien: Die Geschichten stimmen in ihrer Substanz immer noch. So weit es nützlich war, wurden Zahlen und andere Fakten auf den neuesten Stand gebracht. Gestrichen wurde nur, was seit dem Abdruck zu Recht in Vergessenheit geraten ist, also wenig. Beifällige oder kritische Anspielungen auf lebende oder tote Personen sind stets absichtlich, niemals Zufall. Zu einem Teil der Themen gaben Kollegen in der Redaktion die Anregung. Doch die Verantwortung tragen allein der Autor und die Gestalten der Handlung in Paris.
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