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Lesereise Malediven

Lesereise Malediven

Titel: Lesereise Malediven
Autoren: Stefanie Bisping
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höchstens einen halben Tag dauerten.
    Die Trennung von Maledivern und Touristen sollte die muslimische Bevölkerung vor den Ausschweifungen des Westens bewahren. Zugleich hatte sie den günstigen Nebeneffekt, dass niemand mitbekam, wie es wirklich zuging im Reich des Autokraten. Nicht demokratisch jedenfalls.
    Wiewohl er sich durch seine dreißig Jahre währende Amtszeit ebenso verdächtig machte wie durch seine allgemeine Verschlossenheit gegenüber demokratischen Tugenden – politische Parteien ließ er erst im Jahr 2005 zu –, bewies Gayoom auch Weitblick. Er wies früh darauf hin, dass sein kleines Land mit dem Klimawandel besondere Probleme bekommen würde, und machte beim Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz auf die exponierte Lage des Inselstaats aufmerksam. Den Tourismus auf den Inseln kultivierte er mit relativer Zurückhaltung und, so weit sich beides überhaupt miteinander verträgt, nahm er ein wenig Rücksicht auf die sensiblen ökologischen Verhältnisse. Das schließt ästhetische Vorgaben ein – Hotelbauten dürfen nicht höher ragen als die höchste Palme – und hat mittlerweile dazu geführt, dass sündteure Hideaways einander in umweltschonenden Maßnahmen zu überbieten suchen.
    Ohnehin sind die Vorschriften streng: Nur ein Hotel ist pro Insel zugelassen, und das darf nicht mehr als zwanzig Prozent der Inselfläche in Anspruch nehmen. Die Vegetation muss authentisch bleiben; Bäume und Büsche, die einem Neubau geopfert werden, sind zu ersetzen. Auch die Verwendung von Korallen als Baumaterial ist heute verboten.
    Wer ein Hotel auf den Malediven eröffnen möchte, kann sich dafür keine Insel kaufen, sondern darf für eine Dauer von fünfunddreißig Jahren eine vom Staat pachten. Zusätzlich kann man eine Option auf weitere fünfzehn Jahre Inselnutzung erwirken. Außerdem muss man Einheimischen Arbeit geben. Deren Anteil an den Beschäftigten der Tourismusbranche liegt dennoch nur bei rund sechzig Prozent; Frauen sind nur ausnahmsweise unter ihnen zu finden. Die übrigen vierzig Prozent stammen vor allem aus Indien und Sri Lanka. Hotelgesellschaften aus dem Ausland müssen einheimische Investoren in ihr Projekt einbeziehen. Die letztere Maßnahme soll den Ausverkauf des Inselreichs verhindern und hat beträchtlichen wirtschaftlichen Nutzen fürs Land.
    Dass der internationale Flughafen Hulhule in der Lagune von Mal é angelegt wurde und die Hauptstadt sich seit den ersten Touristentransporten zu Beginn der siebziger Jahre in eine veritable Großstadt verwandelt hat, passt weniger in den tröstlichen Mythos des um die Umwelt besorgten Staates. Die Trennung von Besuchern und Bewohnern mag indessen tatsächlich dazu beigetragen haben, die Malediven ein wenig länger aus dem Sog des westlichen Lebensstils herauszuhalten, als das sonst gelungen wäre – und somit traditionelle Gewohnheiten zu erhalten.
    Seine außergewöhnlich lange währende Amtszeit ließ Gayoom sich unterdessen sechs Mal per Referendum bestätigen – der Einfachheit halber jedes Mal unter Verzicht auf Gegenkandidaten. Auch nach der Zulassung politischer Parteien blieb der Wunsch der Bevölkerung nach einer weiteren Demokratisierung der Verhältnisse groß. Gayoom beugte sich schließlich dem Druck, indem er selbst einen Reformplan entwarf. 2007 entschieden sich die Malediver per Referendum für ein Präsidialsystem, das sich an der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika orientierte. Ein Jahr darauf wurde eine neue Verfassung erlassen, die den Weg für die ersten freien Wahlen im Oktober 2008 ebnete. Zum ersten Mal bewarben sich mehrere Kandidaten um den Job des Präsidenten, darunter neben dem Amtsinhaber und vier weiteren Kandidaten auch Mohamed Nasheed, genannt Anni.
    Im Alter von einundvierzig Jahren wurde Nasheed am 28. Oktober 2008 nach einer Stichwahl, die er klar für sich entschied, zum ersten frei gewählten Staatspräsidenten der Malediven. Nicht nur ihr Alter bei der Amtsübernahme verbindet Maumoon Abdul und Mohamed Nasheed, sondern auch eine gemeinsame Geschichte. Maumoon Abdul hatte seinen späteren Nachfolger für sechs Jahre ins Gefängnis gesteckt. In Folge der Verletzungen, die der Journalist und Oppositionspolitiker in der Haft erlitt, muss »Anni« Nasheed noch heute ein orthopädisches Korsett tragen. So sind die Gemeinsamkeiten der beiden Staatspräsidenten auch schnell erschöpft. Nasheed, der die Maldives Democratic Party im Exil in Sri Lanka gegründet hatte, übernahm die Amtsgeschäfte mit
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