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Lesereise Kulinarium - Italien

Lesereise Kulinarium - Italien

Titel: Lesereise Kulinarium - Italien
Autoren: Dorothea Loecker , Alexander Potyka
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angebotenen Waren die Jahreszeiten erkennbar: Erdbeeren gab es nur im Mai, Broccoli im Winter und während des Sommers wurden vor allem Salat, Tomaten und die scharfen kleinen Peperoncini -Schoten feilgeboten. Mittlerweile aber wird beinahe alles zu allen Jahreszeiten verkauft – und statt aus dem römischen Umland kommen die Waren häufig aus Portugal, Spanien oder Chile.
    Lediglich fünfzehn Prozent der Marktverkäufer in Rom, berichtet Massimiliano Gargano, böten noch Frucht- und Gemüsesorten aus der römischen Campagna an. Ihnen will die Stadt Rom jetzt Überlebenshilfen geben: Im Auftrag der Kommune hat Gargano, der Präsident einer regionalen Produzentenvereinigung ist, eine Liste aller Frucht- und Gemüsebauern zusammengestellt, deren Waren auf die Märkte gelangen. Dort sollen die Stände mit regionalen Produkten dann durch besondere Schilder gekennzeichnet sein. Gleichzeitig werden die Verkäufer verpflichtet, verschiedene Auflagen zu erfüllen, die etwa den Herkunftsnachweis und die Frische der Ware betreffen, um so den Kunden eine gewisse Qualitätssicherheit zu bieten. »Die Märkte sind ein wichtiger Bestandteil des römischen Lebens«, meint die städtische Assessorin Valentini: »Wir wollen sie auf jeden Fall revitalisieren.«
    Deshalb sollen die Gemüsestände nicht nur besser, sondern auch schöner werden. Statt der hässlichen Blechbuden, die sich vor Jahren etwa auf der Piazza San Cosimato eingebürgert hatten, verlangt die Stadt, dass die Händler sich wieder kleine Karren anschaffen, auf denen Sonnenschirme stecken. Das allerdings gefällt vielen Marktverkäufern nicht. »Meine Bude ist wirklich keine Schönheit«, sagt Pietro vom San Cosimato, »aber zurück zu den Sonnenschirmen, das ist, als ob man die Wäsche wieder im Fluss waschen müsste, statt in der Waschmaschine.«
    Gern würde sich Pietro stattdessen einen schöneren Kiosk anschaffen – »aber mit welchem Geld?« Dass auf der Piazza San Cosimato und andernorts in Rom immer mehr Kunden wegbleiben, hat wenig mit der Qualität der Waren zu tun und noch weniger mit dem Aussehen der Kioske. Es sind die veränderten Lebensgewohnheiten der Römer. Früher gingen die Hausfrauen jeden Morgen über den Markt, um täglich frisches Gemüse auf den Tisch zu bringen – unterdessen waren die Männer auf der Arbeit. Mittlerweile arbeiten auch viele Frauen, weshalb sie keine Zeit mehr haben, auf den Markt zu gehen und stattdessen abends in den Supermarkt eilen, wo die Waren zudem billiger sind. Überdies hat sich die Einwohnerschaft im römischen Zentrum mittlerweile radikal gewandelt: In der Altstadt leben immer weniger Römer, stattdessen zieht es zunehmend Ausländer in die Ewige Stadt. Mehr als siebzehn Prozent der rund achtzigtausend Bewohner des römischen Zentrums sind Ausländer, im traditionellen Handwerkerviertel Trastevere liegt der Anteil noch wesentlich höher.
    Wo einstmals Schreiner und Schlosser ihre Werkstätten betrieben, sind jetzt Edelboutiquen eingezogen. Wo sich früher zwei Handwerkerfamilien eine Wohnung teilten, lebt jetzt ein ausländischer Single. Die Mietpreise kletterten in astronomische Höhen, nachts wird das Viertel von endlosen Touristenströmen überschwemmt – Trastevere ist ein römisches Greenwich Village geworden, in dem immer mehr Amerikaner leben. »Uns jagen sie hier fort«, sagt die alte Marktfrau Armanda vom San Cosimato: »Leute wie wir leben heute am Viale Marconi oder sonst irgendwo.« Soll heißen: Weit draußen, viele Kilometer vom Stadtzentrum entfernt.
    Wo die Römer hinziehen, da zeigen auch die Gemüsemärkte eine neue, zaghafte Blüte. In Trastevere scheinen hingegen alle Wiederbelebungsversuche vergebens, weil die neue Bewohnerschaft wenig selber kocht und kaum Wert auf qualitätvolles Gemüse legt. Dabei hat die Stadt ganz detaillierte Pläne, wie die Piazza San Cosimato künftig aussehen könnte: Mehr Raum für spielende Kinder ist geplant, die Restaurants und Kaffeebars dürfen sich mit ihren Stühlen und Tischen stärker ausbreiten auf dem Platz und ganz in der Mitte, unter der großen Platane, sollen die Alten wieder wie ehemals auf den Bänken sitzen und das Marktgeschehen betrachten können – wenn es denn noch eins gibt.
    Pietro und seine Frau Concetta, die beide um die fünfzig sind, wollen ihren Stand jedenfalls schließen; die alte Marktfrau Armanda hat dann auch nichts mehr zu tun. Vor dreißig Jahren war Pietro als junger Spund aus den Abbruzzen gekommen und hatte als Kellner in
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