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Lesereise - Israel

Lesereise - Israel

Titel: Lesereise - Israel
Autoren: Gil Yaron
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stellte er seinen Eltern eine ungewöhnliche Forderung: »Ich wusste, dass ich in der besten Schule im Land lernen will. Nur das Herzliyah-Gymnasium kam deswegen für mich in Frage«, erinnert sich der warmherzige Mann mit dem breiten Lächeln.
    Ein Araber auf dem Herzliyah-Gymnasium – das klingt für viele Israelis selbst heute noch ähnlich kongruent wie ein jüdischer Papst, ein atheistischer Imam oder ein sizilianischer Feminist. Das im Jahr 1905 gegründete Herzliyah-Gymnasium war das erste hebräische Gymnasium der Welt. Der alte Bau, der bald im Kern der neu gegründeten Stadt Tel Aviv angesiedelt wurde, galt als Hochburg des Zionismus. Zwei Türme am Eingang des Schulgebäudes sollten an die Säulen am Eingang des biblischen Tempels erinnern, die Spitzen, die sich an den vier Ecken des Daches erhoben, spielten auf die Form des biblischen Opferaltars an. Gymnasia Herzliyah, benannt nach Theodor Herzl, dem Gründer des politischen Zionismus, wurde zum Wahrzeichen einer Bewegung, die ihr Volk im Geist der alten Hebräer der Bibel neu erziehen wollte. Ein großer Teil der frühen israelischen Elite, wie der zweite Premier Mosche Scharett, erhielt hier seine Erziehung.
    All das kümmerte Abu Schindi herzlich wenig, als er sagte, dass er ausgerechnet dort lernen wolle. Den Vorschlag des Schulleiters, es doch vielleicht andernorts zu versuchen, lehnte er entschieden ab. Seine Hartnäckigkeit machte sich bezahlt: Abu Schindi wurde zum ersten Araber auf der Schule. Heute spricht der Leiter eines Gemeindezentrums in Jaffa perfektes, akzentfreies Hebräisch und kennt die jüdischen Israelis vielleicht besser als sie sich selbst. Seine Erfahrungen halfen ihm, Vorurteile abzubauen und eine eigene Ansicht zur Behebung der Spannungen in der israelischen Gesellschaft zu bilden. »Schon als Junge verstand ich, dass wir dieses Land nur gemeinsam verändern können«, sagt Abu Schindi. Am Flughafen in Tel Aviv half ihm das aber anfangs nur wenig. Jahrelang musste der Bürgerrechtler und Aktivist jedes Mal, wenn er ins Ausland flog, Erniedrigungen einstecken, sich bis auf die Unterhose ausziehen und stundenlang dieselben Fragen beantworten. Bis er eines Tages den Flughafen gemeinsam mit einem Minister besuchte und dem Generaldirektor einen Vorschlag machte: »Ich fragte ihn, ob er nicht seinen Service für arabische Fluggäste verbessern wolle. Er fragte einfach, was ich anzubieten hätte, und so begann unsere Kooperation.« Seit 2006 arbeiten Abu Schindi und seine Kollegen vom Forum für bürgerliche Zustimmung nun mit den Behörden am Flughafen zusammen, mit beeindruckenden Ergebnissen: »Vor wenigen Jahren hagelte es jährlich Hunderte Beschwerden von Arabern, die sich am Flughafen misshandelt fühlten. Jetzt sind es weniger als dreißig im Jahr«, sagt Abu Schindi.
    Der Wandel war für beide Seiten schwer: »Wir mussten umdenken, etwas völlig Neues erfinden«, sagt Schimschon Katz, Direktor der Abteilung für Kundenservice am Flughafen. »Unsere Beamten sind junge Männer und Frauen, die gerade aus der Armee entlassen wurden und ein bestimmtes Feindbild haben. Sie kennen Araber aus den Medien und aus dem Krieg«, sagt Katz. »Für junge Israelis sind alle Araber gleich. Es ist egal, ob ich aus Syrien, dem Libanon oder aus Israel komme. Sie können nicht unterscheiden, ob ich ein Friedensaktivist oder ein Anhänger der Hamas bin«, sagt Abu Schindi. Deswegen organisierte er Treffen mit Vertretern aus dem arabischen Sektor, um dieses Bild zu verändern und zu differenzieren. »Wenn man jungen Exsoldaten sagt, es könnte sein, dass ein arabischer Arzt ihre Eltern in einem israelischen Krankenhaus behandelt oder ein arabischer Rechtsanwalt sie vor Gericht vertritt, beginnen sie umzudenken«, sagt Katz. Auch Abu Schindi sammelte in der Zusammenarbeit neue Erfahrungen: »Ich dachte anfangs, dass auf der anderen Seite der Teufel selbst sitzt, der jedem Araber gegenüber schlechte Absichten hat.« Doch die Offenheit seiner neuen Partner überraschte ihn.
    Seminare sorgen für neues Verständnis: »Die meisten Israelis kennen unsere Kultur nicht. Sie wissen nicht, wie man zu unseren Frauen sprechen muss, oder dass der Mann als Familienoberhaupt nicht vor aller Augen gedemütigt werden darf. Heute ist das anders.« Beamte wurden in ganz Israel zu Ausflügen in arabische Städte eingeladen. »Es war mir nicht selten mulmig zumute, wenn ich in ein Dorf kam, in dem an jedem dritten Haus PLO -Flaggen hingen«, sagt Katz, der eine lange
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