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Lenas Flucht

Lenas Flucht

Titel: Lenas Flucht
Autoren: Polina Daschkowa
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Kunstfehler zu vertuschen? Ist das nicht ein bißchen zuviel der Mühe?
    Plötzlich ein ohrenbetäubendes Krachen und Plumpsen. Dann ein gräßliches Fluchen und Stöhnen. Die Kistenhatten Koljas Gewicht nicht ausgehalten, und die ganze Pyramide war in sich zusammengestürzt.
    »Mein Bein, mein Bein!« hörte Lena eine Männerstimme jammern.
    »Dein Bein ist noch ganz, Dämlack«, antwortete ein anderer. »Brüll nicht so! Los komm, damit dir jemand Erste Hilfe leistet.«
    »Ja, in der Gynäkologie«, witzelte der Dritte hämisch.
     
    Auf Amalia Petrownas Schreibtisch lag ein frisches Krankenblatt. Nur die erste Seite war ausgefüllt. Sorgfältig notierte sie sich Namen, Vornamen, Vatersnamen, Geburtsdatum und Adresse. Den Zettel steckte sie in die Tasche ihres Kittels. Dann hielt sie ihr brennendes Feuerzeug an eine Ecke des Krankenblatts.
    Den Kopf in die Hand gestützt, sah sie nachdenklich zu, wie das feste weiße Papier sich widerwillig krümmte und schließlich zu Asche zerfiel.
     
    Als es wieder völlig dunkel war, wartete Lena zur Sicherheit noch einige Minuten ab und richtete sich dann vorsichtig auf, um wieder in den Keller zu klettern. Sie war total durchgefroren. Aus dem Keller stieg es warm auf. Dort suchte sie jetzt bestimmt keiner mehr. Morgens wollte sie dann ihr Versteck verlassen und den ersten Menschen, den sie traf, nach der Miliz fragen. Man habe sie ausgeraubt, würde sie sagen oder sich etwas anderes ausdenken. Nachts konnte sie in diesem Aufzug nicht in einer unbekannten Gegend herumlaufen. Außerdem suchten ihre Verfolger sicher im Hof und in der Umgebung des Krankenhauses nach ihr.
    Sie schob die Beine durch die Fensteröffnung und schaute hinab. Bis zum Boden, wo Kisten und Wäschebündel wild durcheinander lagen, waren es mindestens drei Meter.
    Ich darf doch nicht springen, durchfuhr es Lena.
    Da erklangen ganz in ihrer Nähe Männerstimmen. Autoscheinwerfer leuchteten auf und blendeten sie fast. Lenakniff die Augen zusammen, umschlang mit ihren Armen den Bauch, sprang … und landete auf einem großen Wäschehaufen.

Drittes Kapitel
    Als es hell wurde, lugte ein schmutziges, bleiches Gesicht unter einem zerzausten Haarschopf aus dem Kellerfenster. Den Hausmeister Stepanow, der gerade das frisch gefallene Laub zusammenharkte, wunderte das nicht. Im Keller des Krankenhauses übernachteten manchmal Obdachlose. Solche alten Häuser mit warmen, anheimelnden Kellern gab es in der Stadt kaum noch, und die Nächte wurden schon kalt. Irgendwo mußten die armen Schlucker doch bleiben.
    Das Tor des Krankenhauses hatte seit kurzem eine Wache – zwei schläfrige, arrogante Schlägertypen im Tarnanzug und mit Maschinenpistolen. Stepanow mochte die Kerle nicht. Er konnte sich auch nicht daran gewöhnen, daß das Krankenhaus jetzt von einer Betonmauer umgeben war, zu allem Überfluß auch noch mit Glasscherben und Stacheldraht obendrauf.
    Aber ganz hinten im Hof hatte die Mauer ein Loch, das dichtes Gebüsch verbarg. Wer es wann geschlagen hatte, konnte Stepanow nicht sagen. Durch diese Öffnung kamen die ungebetenen Gäste zuweilen in seinen Keller.
    Damit verstießen sie gegen die Ordnung, denn schließlich war dies eine medizinische Einrichtung. Und wenn schon.
    Schmutziger als die Ratten waren sie auch nicht. Um die kümmerte sich keiner, sie hatten die Stadt längst im Griff. Aber auf die Obdachlosen hackte jeder ein, wenn er nur konnte …
    Das zerzauste Köpfchen zuckte zurück, als es Stepanows ansichtig wurde.
    »Kriech raus, hab keine Angst«, sagte der Hausmeister, »gleich kommen die Ärzte vom Nachtdienst.«
    Das Köpfchen lugte vorsichtig wieder hervor. Es gehörte einer Frau. Sie war nicht alt, keine Säuferin, irgendwie merkwürdig.
    »Soll ich dir helfen?« Stepanow streckte ihr die Hand entgegen.
    Mit seiner Hilfe kletterte der nächtliche Gast heraus. Nun war Stepanow ehrlich verblüfft. Die Frau hatte nichts an außer einem Nachthemd, wie es hier alle Patienten trugen, und einem Operationskittel. An den nackten Füßen waren frische Kratzer zu sehen. Aber am meisten erstaunte Stepanow, daß von ihrer Schulter eine kleine, elegante, offenbar sehr teure Lederhandtasche hing.
    Die hat sie bestimmt geklaut. Man müßte sie zur Miliz …, dachte Stepanow. Da öffnete die Frau den Mund.
    »Sagen Sie bitte, wo ist hier die nächste Milizstation?«
    Stepanow führte sie zu dem Loch in der Mauer. Als sie draußen war, schaute sie sich noch einmal um.
    »Entschuldigen Sie, ist das hier
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