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Lenas Flucht

Lenas Flucht

Titel: Lenas Flucht
Autoren: Polina Daschkowa
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bezahlen. Aber das verstand sich von selbst. Hauptsache, er belästigte sie nicht mit solchem intellektuellen Bombast wie Simakow: Nach Geld stinkt es in Ihrer Klinik …
    Nein, mit Simakow war sie richtig verfahren. Natürlich war es nicht einfach, an seiner Statt den passenden Mann zu finden. Aber das kam später. Jetzt brauchte sie dringend frisches Material.
    Amalia Petrowna nahm entschlossen den Telefonhörer ab und wählte.
    »Ich brauche drei, hierher ins Krankenhaus. Nein, es ist nichts Schlimmes passiert. Nur ein psychisches Problem bei einer Patientin, die direkt vom Operationstisch weggelaufen ist. Danke, ich warte.«
    Vierzig Minuten später hielt vor dem Krankenhaus ein schwarzer Wolga. Ihm entstiegen drei Männer in Lederjacken, mit breiten Schultern und kantig gestutzten Köpfen.
     
    Der Strahl einer Taschenlampe huschte über die glitschigen Stufen. Drei Männer stiegen ohne Eile in den Keller.
    »Das war’s«, meinte einer, »jetzt ist nur noch der Keller übrig. Wer weiß, ob die überhaupt noch im Krankenhaus ist. Vielleicht sitzt sie schon lange zu Hause.«
    »Wie soll sie denn nach Hause gekommen sein – im Hemd und barfuß?« fragte der zweite.
    »Nichts leichter als das«, brummte der dritte, »ist in den Vorortzug gestiegen und losgefahren. Daß sie barfuß läuft, interessiert heute doch keinen.«
    »Hier bricht man sich ja die Ohren. Ist denn nicht irgendwo ein Lichtschalter?«
    »Schon, aber die scheinen an Glühbirnen zu sparen.«
    Die drei blieben stehen und steckten sich erst einmal Zigaretten an.
     
    Lena saß bereits seit über einer Stunde auf ihren Kisten. Sie hatte sich ein wenig erwärmt und gar nicht bemerkt, wie sie eingenickt war.
    Sie träumte von einem Schulhof voller festlich gekleideter Kinder mit ihren Eltern. Eine Erstkläßlerin mit riesiger Schleife im blonden Zopf hielt Lena an der Hand. Sie sah ihr selbst in jenem Alter zum Verwechseln ähnlich. Sie stand sogar wie Lena auf Kinderfotos – ein Bein hochgezogen wie ein Storch …
    Sie erwachte, weil ihr Tabakrauch beißend in die Nase stieg. Schon als Kind war sie für ihren feinen Geruchssinn bekannt gewesen. »Unser Hündchen«, hatte sie ihr Vater oft geneckt.
    Da rauchte nicht nur einer, sondern gleich mehrere. Es war starker Tabak, wahrscheinlich amerikanischer. Zunächst wollte sich Lena einfach hinter den Kisten verkriechen. Die würden doch nicht hinter alles Gerümpel in dem dunklen Keller schauen.
    Sie stand leise auf, bemüht, jedes Geräusch zu vermeiden. Sie hielt sogar den Atem an. Aber die Kisten hatte sie selber an die Wand geschoben. Um hinter ihnen Raum zu schaffen, hätte sie die ganze Konstruktion abbauen müssen, was höchst riskant war.
    Der Strahl der Taschenlampe wanderte langsam durch den Keller. Noch leuchtete er von ferne, kam aber unerbittlichnäher. Offenbar schauten die Kerle tatsächlich in jeden Winkel. Aber der Keller zog sich hin, und das war ihre Chance. Rasch und ohne einen Laut kletterte Lena die Kisten hinauf und kauerte sich direkt unter dem Fenster zusammen, so gut sie konnte. Der Mond schien durch das Fenster, so daß sie ihren Schattenriß sehen mußten, wenn sie nach oben schauten. Lena wartete ab, bis die Kerle mit Getöse den nächsten Stapel alten Krempels beiseite räumten, und öffnete dann das Fenster. Dahinter befand sich eine schmale ausgemauerte Nische von ca. einem Meter Tiefe. In die ließ sie sich gleiten und zog das Fenster von außen zu. Hier war es hundekalt. Bald zitterte Lena so, daß ihre Zähne klapperten. Durch einen Spalt hörte sie, wie die Männer beim Räumen und Suchen lästerlich fluchten. Jetzt standen sie direkt unter dem Fenster und besahen sich das Werk ihrer Hände. Lena konnte jedes Wort verstehen.
    »Wieso hat hier einer die Kisten umwickelt? Ob da was Wertvolles drin ist? Vielleicht dealt die alte Sotowa gar mit Drogen?«
    »Quatsch, die hat auch so genug.«
    »Hör mal, Kolja, schaffst du es bis zum Fenster?«
    »Was soll der Blödsinn?«
    »Für alle Fälle. Probier’s mal.«
    Einige Sekunden war es still. Die Taschenlampe zeigte jetzt genau auf das verstaubte Fenster. Lena hielt sich den Mund zu. Noch einen Augenblick, und sie würde vor Angst laut aufschreien.
    Was mache ich hier eigentlich? Ich benehme mich wie in einem billigen Krimi, schoß es ihr durch den Kopf. Wenn dieser Kolja durch das Fenster schaut, ist alles vorbei. Was ist vorbei? Bringen sie mich um? Fesseln sie mich und lösen künstliche Wehen aus? Weshalb? Um einen
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