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Leise Kommt Der Tod

Titel: Leise Kommt Der Tod
Autoren: Sarah Stewart Taylor
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Archäologin. Außerdem hatte sie schon geahnt, dass es in der Regel nicht darum ging, gut erhaltene Grabstätten und Schätze zu entdecken. Aber trotzdem war sie überrascht, wie weit ihre Erwartungen und die Realität auseinanderklafften. Statt wie in ihrer Vorstellung nach Goldstatuen und Ölvasen aus Alabaster
zu graben, versuchten sie, winzige Relikte aus dem Altertum wie Scherben und Fragmente zu finden.
    Sie war richtig erleichtert gewesen, als sie wieder an die Universität und zum Museum zurückgekehrt waren, wo sich die hübschen Artefakte befanden, die schon von Staub, Schmutz und Ruß befreit und hinter Glas gestellt worden waren. Aber dann musste sie feststellen, dass ihr die Dunkelheit, die sie in Ägypten umfangen hatte, nach Hause gefolgt war.
    Während ihrer Reise hatte sie sich zum ersten Mal gefragt, ob es überhaupt richtig war, diese wunderschönen Dinge in einem amerikanischen Museum auszustellen. Von einem jungen ägyptischen Studenten, der an den Ausgrabungen mitgearbeitet hatte, hatte sie erfahren, dass Ägyptens Altertümer von reichen weißen Männern geplündert worden waren, die sich genauso schlimm wie Piraten verhalten hatten. Sie hatten die wertvollsten Schätze seines Landes gestohlen und nichts als leere Gräber zurückgelassen. »Wie kann es sein«, fragte er sie, »dass ich nach Amerika oder Großbritannien reisen muss, um die Kunst meines eigenen Landes zu sehen? Ihr Amerikaner würdet so etwas nicht mit euch machen lassen. Ihr würdet eure Antiquitäten zurückkaufen oder einen anderen Weg finden, sie zurückzuholen, so wie ihr alles bekommt, was ihr haben wollt. Die weißen Männer sind nichts weiter als Ausbeuter, die sich mit Gewalt genommen haben, was sie wollten, als meine Landsleute sich weigerten, es ihnen zu geben.«
    Seit diesem Gespräch hatten sich ihre Ansichten verändert. Es kam ihr so vor, als sei sie mit einem Mal aus einem dichten Nebel getreten. Sie sah die Dinge jetzt ganz anders. Alles, was sie einst als selbstverständlich betrachtet hatte, war nun so ungewiss wie die Herkunft des Perlenkolliers.
    Gerade als sie das Kollier in sein Kästchen zurücklegte, hörte sie wieder die Stimmen draußen in der Galerie. Dieses Mal in einem Ton, der sie aufhorchen ließ. Die beiden Männer
sprachen mit eindringlichen, leisen Stimmen und schienen sich zu streiten.
    »Du machst es falsch«, hörte sie einen von ihnen sagen. »So muss es sein.« Museumsbesucher , dachte sie. Sie suchen die Sarkophage. Da ertönte plötzlich ein lautes Knacken vor der Tür, und kurz darauf noch eines. Sie sprang überrascht auf und warf dabei den Metallstuhl um, auf dem sie gesessen hatte. Plötzlich hörte sie eine der Stimmen sagen: »Was zum Teufel …«, und im selben Moment standen die Männer in der Tür. Es waren zwei, sie trugen schwarze Regenmäntel und kleine Äxte. Ihr Blick fiel zuerst auf diese Werkzeuge, noch ehe sie die unauffälligen, beinahe freundlich wirkenden Gesichter der beiden wahrnahm. Sie musste laut aufgeschrien haben, denn der kleinere der Männer brüllte sie an: »Halt’s Maul!«, und kam durch den Raum auf sie zu. Er presste ihr eine Hand auf den Mund und drückte sie auf den Boden, bis ihr Gesicht in dem muffig riechenden Industrieteppich des Studienzimmers versank. Als er auf ihrem Rücken saß, drehte er ihren Arm herum, bis ihre Schulter pochte. Sie hatte Mühe, durch die Teppichfransen zu atmen, und musste würgen und nach Luft schnappen, bis ihr Magensäure hochkam.
    »Wer zum Teufel bist du?«, zischte der Mann neben der Tür mit wütender, aber leiser Stimme. Karen hörte das ungleichmäßige Rasseln ihres eigenen Atems. Sie fühlte sich, als wäre sie zwanzig Meilen gerannt. »Du solltest nicht hier sein, du Schlampe.«
    »Gib mir das Klebeband«, flüsterte der Mann, der sie festhielt, in ähnlich genervtem Ton. Sie haben Angst, dass sie jemand hört , wurde ihr klar. Sie denken, dass man sie hören kann.
    Sie vernahm ein Geräusch, das sich anhörte wie Klebeband, das von einer Rolle gezogen wurde. »Niemand hat davon gesprochen, dass sich hier unten jemand aufhalten würde«, sagte der Mann neben der Tür.

    Der andere drehte sie auf den Rücken. Er zog einen silbernen Streifen Klebeband von der Rolle und trennte es mit seinen Zähnen ab, ehe er es ihr über den Mund klebte. Sie verspürte mit einem Mal Panik und musste sich zwingen, ruhig durch die Nase zu atmen.
    Dann sah er sie an, und an dem Ausdruck in seinem maskenhaften Gesicht und dem
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