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Leichentanz

Leichentanz

Titel: Leichentanz
Autoren: Jason Dark
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den zweiten und dritten Blick hin war ebenfalls nichts zu sehen. Ich allerdings stellte mir die Frage, weshalb dieses Gefühl der Unruhe in mir vibrierte, denn einen äußerlichen Grund gab es dafür nicht. Ich wurde nicht belauert, ich brauchte mit keinem Angriff zu rechnen, es war alles normal, sogar das Wetter. Leicht schwül und etwas windig.
    Meine Nervosität blieb trotzdem. Mir fiel auf, daß ich in der Türmitte stand. Von einer Zielscheibe wollte ich zwar nicht sprechen, aber ich zog mich zurück, und meine Silhouette tauchte ein in die Graue der Lagerhalle.
    Dort wartete ich. Komischerweise war ich zu unruhig, um auf einer Stelle stehenzubleiben. Ich ging hin und her wie ein Gefangener, der kurz vor dem Zellenkoller steht.
    Suko hatte sich noch nicht gemeldet. Warum nicht? Er hätte längst unten im Keller sein müssen. Schließlich war dieser Bau kein Parkhaus, das tief in den Boden hineinführte.
    So wartete ich.
    Ratten oder Mäuse schreckte ich durch meine Laufgeräusche nicht mehr auf. Sie hatten sich verzogen. Es paßte ihnen nicht, daß sie ein großer Zweibeiner störte.
    Immer öfter rutschte meine Hand in die Seitentasche, wo das flache Gerät steckte. Schließlich war ich es leid. Wenn Suko schon keinen Kontakt aufnehmen wollte, dann mußte ich es eben tun.
    Es lag kaum in meiner Hand, und mein Daumen befand sich nicht weit vom Einschaltknopf entfernt, als die kleine Lampe aufleuchtete. Ein Zeichen, daß Suko Kontakt haben wollte.
    Ich atmete auf.
    Endlich…
    Wenig später hörte ich seine Stimme. Sie klang ziemlich klar, deshalb hörte ich auch den Unterton der Überraschung heraus. »John, es gibt keinen Stuhl dort oben. Wenn ja, dann hättest du dich jetzt setzen müssen.«
    »Was ist denn?«
    »Knochen…«
    »Ach.«
    »Ja, Alter, bleiche Knochen. Da kannst du drin herumwühlen wie im Sand am Strand. Es ist kaum zu fassen, aber sie liegen auf dem Boden, sind blank und abgenagt. Als hätten Ghouls daran geleckt.« Er lachte, aber ich lachte nicht mit.
    Zunächst mußte ich mich räuspern, um die nächste Frage stellen zu können. »Sind es Menschen- oder Tierknochen?«
    Suko brummte etwas, dann murmelt er, schließlich sprach er deutlicher.
    »Wenn du mich direkt fragst, was du ja getan hast, würde ich auf Menschenknochen tippen. Warte einen Moment, ich muß mich noch genauer überzeugen. Vielleicht entdecke ich noch ein paar Schädel. Bleib mal dran, Alter.«
    »Gern.«
    Ich war wie elektrisiert und auch so gespannt, daß ich auf meine Umgebung nicht achtete. Am Rücken hatte ich zudem keine Augen und sah die Gestalt des Mannes deshalb nicht, die sich auf leisen Sohlen in die Halle hineingeschoben hatte.
    »Bist du noch da?«
    »Klar.«
    »Also, ich kann dir jetzt mit Sicherheit sagen, daß hier unten Menschenknochen liegen. Ich habe einige Schädel entdeckt. Nur wenige davon waren ganz, die meisten sind zertrümmert, aber sie sind vorhanden und lassen sich nicht wegdiskutieren. Tja, was tun?«
    »Ich komme runter.«
    »Wunderbar, John. Das mußt du dir einfach ansehen. Ich weiß auch nicht, weshalb die Knochen hier lagern, einen Grund kann ich mir nicht vorstellen, aber sie sind da. Und sie sehen aus, als wären sie abgenagt und anschließend noch abgeleckt worden. Ein Irrsinn, kann ich dir sagen.«
    »Das werde ich gleich sehen. Ich hole mir nur den Aufzug hoch.«
    »All right, ich warte.«
    Kopfschüttelnd ging ich auf die Eisentür des Aufzugs zu. Es war wirklich ein Hammer, und ich vergaß all meine Bedenken. Bleiches Gebein versteckt in einem Keller. Das war nicht normal, das ging nicht mit rechten Dingen zu. Hier war jemand am Werk, der damit einfach etwas anfangen mußte.
    Abgenagt und abgeleckt!
    Natürlich kamen mir bei der Beschreibung sofort die Ghouls in den Sinn, doch sie wären bestimmt in der Nähe gewesen oder hätten zumindest ihren widerlichen Geruch hinterlassen, doch davon hatte Suko kein Wort gesagt. Also keine Ghouls?
    Ich überlegte, als ich vor dem Fahrstuhl stand. Gedrückt hatte ich schon, die breite Kabine rumpelte hoch, und das Sprechgerät steckte wieder in meiner Tasche.
    Es hatte sich nichts verändert, gar nichts – das zumindest glaubte ich.
    Und ich glaubte es auch weiter, als die Kabine mit einem letzten Schütteln hielt und ich die Tür aufzerren konnte.
    Vor mir lag das Rechteck. Es schimmerte die nackte Glühbirne unter der Decke, geschützt durch ein dünnes Gitter. Ich trat auf den rauhen Boden der Kabine, wollte den zweiten Schritt vorgehen, als
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