Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leichentanz

Leichentanz

Titel: Leichentanz
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
wunderbarer Halt, denn so konnte sie sich auch umdrehen. Sie tat es mit langsamen Bewegungen, denn sie wollte ihren Blick zurückschweifen lassen.
    Nach wie vor war sie die einzige Person auf dem einsamen Gräberfeld.
    Dieser Friedhof lag in London, aber die Frau kam sich vor, als hätte man sie auf einen anderen Stern gebeamt. Alles war so fremd geworden, nichts Vertrautes mehr.
    Joanna Leginsa hatte sich gedreht, und so spürte sie den Grabstein in ihrem Rücken. Es war letztendlich egal, in welche Richtung sie schaute, aber sie blieb nun mal in dieser Haltung und merkte, daß sich etwas veränderte.
    Äußerlich war noch nichts zu sehen, sie lauschte einfach ihrem Gefühl, das wiederum sagte ihr, daß sie mit einer Überraschung zu rechnen hatte.
    Aber wo?
    Es gab auch Überfälle auf den Londoner Friedhöfen. Nur fanden die meistens dort statt, wo die Gräber noch dicht an dicht standen und es keine so großen Lücken gab. Auf diesem Feld war das Gelände einfach zu gut zu überblicken.
    Dennoch stieg bei ihr die Angst.
    Die Bedrohung war da.
    Joanna konnte sie nicht sehen, obwohl sie in der Nähe lag und sich nur zu strecken brauchte, um zuzugreifen.
    Sie bot ein Bild für ein Standfoto. Mit dem Rücken gegen den breiten Grabstein gepreßt. Dazu kam das mausgraue Kleid mit dem Blümchenmuster, das sie trug. Die blonden Haare waren etwas in Unordnung geraten. Hinter den Brillengläsern bewegten sich ihre Augen auf der Suche nach einer Bedrohung.
    Joanna spürte sie.
    Etwas tat sich unter ihr.
    Eine Bewegung!
    Die Frau hielt den Atem an. Sie wußte mit tödlicher Sicherheit, daß auch sie in diesen Sog hineingezogen würde. Der Kreis des Unfaßbaren fing an, sich zu schließen.
    Es fiel ihr schwer, die eigene Angst zu überwinden und den Blick nach unten zu senken. Sie schaute jetzt auf die Stelle vor ihren Füßen, dort hatte sie das Vibrieren deutlich gespürt.
    Nun nicht mehr.
    War es weg?
    Sie schaute noch einmal hin. Konzentrierte sich auf jeden Grashalm, nahm dessen Zittern wahr. Der Wind, gefüllt mit einem fauligwiderlichen Geruch, bewegte die Halme. Er spielte mit ihnen, aber er konnte nicht die Erde aufwühlen. Das mußte eine andere Kraft sein. Vielleicht die der hier liegenden namenlosen Toten?
    Das war auch Unsinn.
    Lebende Tote gab es nur in den entsprechenden Horrorfilmen und nicht in der Wirklichkeit.
    Nein, nein, hier war einiges anders, das mit Logik nichts zu tun hatte.
    Der Gestank nahm zu.
    Als unsichtbare Wolke wehte er Joanna von unten her entgegen und raubte ihr die Luft. Sie schluckte, dann muckte ihr Magen auf, und sie konnte das Würgen nicht unterdrücken.
    Aber sie blieb stehen, den Blick auf den Boden vor ihr gerichtet. Dort tat sich etwas. Joanna erschrak zutiefst, als sich die Erde plötzlich bewegte.
    Sie hatte von unten her Druck bekommen. Kleine Stücke lockerten sich, sie wurden in die Höhe geschleudert und fielen wieder zurück, auf den Kopf gedreht, so daß die lehmige Masse oben lag.
    Was ging hier vor? Welches Unheil kroch aus dem Friedhofsboden in die Höhe?
    Waren es wirklich die Toten oder mehrere Maulwürfe, die eine Erde aufgewühlt hatten?
    Joanna Leginsa wußte gar nichts mehr. Sie wollte auch nichts wissen.
    Zudem fand sie nicht die Kraft, sich von der Stelle zu lösen und davonzurennen.
    Ein Loch war da.
    Trichterförmig, und es rollte auch nichts mehr zurück, denn aus dem Loch schob sich etwas hervor.
    Zunächst ein Geräusch, ein widerliches Grunzen, und zugleich mit diesem Laut verdichtete sich die verdammte Wolke wieder, die so eklig nach verfaultem Heisch stank. Dennoch schaute sie hin. Die Frau tat es wie unter einem Zwang. Endlich würde sie die Wahrheit erfahren, obwohl sie es überhaupt nicht wollte, aber das hatte sie nicht mehr zu bestimmen.
    Der Wind kam ihr kalt vor, als hätte er sich mit Eis gefüllt. Sie wischte fahrig über ihr Haar. Die Handtasche klammerte sie fest wie einen Rettungsanker.
    Dann sah sie etwas Weißes.
    Es war länglich, aber auch schmutzig. Ziemlich lang sogar, relativ dick, ein Knochen.
    Von einem Arm oder Bein, sie wußte es nicht. Doch es gab noch etwas Schlimmeres. Der bleiche Knochen war nicht von allein in die Höhe gedrückt worden. Jemand hielt ihn fest. Es war eine Faust, ein Stück Arm, von dem eine widerliche stinkende Flüssigkeit wie ein dicker Leim nach unten tropfte…
    ***
    Die alten Räume der Fabrik lagen genau an der Stelle nahe des Hafens, die von Spekulanten ausgesucht worden war, um dort die historischen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher