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Leichensee

Leichensee

Titel: Leichensee
Autoren: Peter Mennigen
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Ihn beschlich eine leise Ahnung, dass die Kleine ihn mochte.
    »Wenn Sie mir Ihre Hand geben, könnte ich den wahren Grund vielleicht herausfinden, Mister …?«
    »Cotton. Sie können mich Jeremiah nennen.«
    »Sehr erfreut, Jeremiah.« Sie schenkte ihm ein Lächeln, das jedem Mann weiche Knie beschert hätte. »Ich bin Amy.«
    Sie nahm seine Rechte sanft zwischen ihre Hände und drehte deren Innenfläche nach oben. Nachdenklich betrachtete sie die Linien darauf.
    »Sind Sie so was wie eine Handleserin, Amy?«, fragte Cotton amüsiert.
    Sie hob die Lider und sah ihn mit ihren leuchtend grünen Augen an. »Nicht so was, ich bin Handleserin.«
    »Dann legen Sie mal los. Ich bin gespannt.«
    Eine halbe Minute lang vertiefte sie sich in seine Handlinien, bevor sie leise sagte: »Sie helfen Menschen, die in Not sind. Sie wohnen in einer Stadt an der Ostküste. Und Sie leiden unter einem großen Verlust von etwas … nein, von jemandem.« Cotton zuckte zusammen. In einem Reflex wollte er ihr die Hand entziehen, doch sie hielt sie mit sanfter Gewalt fest. »Sie fühlen sich für den Tod dieses Jemand verantwortlich, obwohl das nicht stimmt. Sie sind ein Mensch, der selten seine Gefühle zeigt.« Er spürte die Fingerspitzen ihrer Hand über seine Innenfläche gleiten. »Es gibt eine Frau in Ihrem Umfeld, zu der Sie sich hingezogen fühlen, es ihr aber niemals sagen würden.« Plötzlich stutzte sie. »Ich sehe da noch etwas anderes, etwas …« Abrupt ließ sie seine Hand los, starrte ihn entsetzt an und flüsterte: »Bitte verlassen Sie diese Insel und kehren Sie rasch nach Hause zurück, Jeremiah. Sonst wird etwas sehr Schlimmes passieren.«
    »Und was sollte das sein?«, fragte Cotton verwirrt.
    »Tod«, hauchte Amy tonlos. »Der Tod wird Ihr Wegbegleiter sein, wenn Sie nicht schnell verschwinden. Dann wird Ihretwegen jemand auf dieser Insel sterben.«
    »He, Amy«, rief ein bulliger Mann mit Glatze und bis zu den Ellbogen hochgerollten Hemdsärmeln hinter der Theke. »Belästigt dich der Kerl etwa? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.«
    »Nein, alles okay, Dad«, antwortete Amy.
    Sie eilte wortlos von Cotton weg und verließ den Schankraum durch eine Tür hinter der Theke.
    Der Special Agent kümmerte sich nicht weiter um das etwas verstörende Intermezzo, sondern widmete sich seiner Mahlzeit. Nachdem er fertig gegessen hatte, räumte der Wirt das Geschirr ab. Dabei beäugte der Mann ihn misstrauisch.
    »Sind Sie der FBI-Mann, der gestern am Strand rumgeschnüffelt und unseren Sheriff bei der Arbeit behindert hat?«, fragte er schließlich unwirsch.
    »Das ist richtig«, antwortete Cotton trotzdem freundlich. »Nur dass wir niemanden bei der Arbeit behindert haben.«
    »Wir haben hier unsere eigene Polizei«, knurrte der Wirt auf dem Weg zurück an den Tresen. »Und die ist besser als ihr Hollywood-Fuzzis.«
    »Korrekterweise komme ich aus New York.« Cotton nahm die laminierte Speisekarte vom Tisch und sah nach, was er zu zahlen hatte. In aller Gemütsruhe kramte er seine Börse heraus und legte den geforderten Betrag plus Trinkgeld hin. »Bemühen Sie sich nicht, ich finde schon alleine raus.«
    Inzwischen war es in dem Lokal mucksmäuschenstill geworden. Alle Augen waren auf den G-Man gerichtet. Jede seiner Bewegungen wurde misstrauisch verfolgt.
    Auf dem Weg zum Ausgang änderte Cotton plötzlich die Richtung und trat an den Tisch von Sheriff Pearce.
    »Gibt’s ein Problem, FBI-Mann?«, knurrte er, ohne von seinem Teller aufzublicken. Die Wut über den gestrigen Auftritt der FBI-Agents schwelte immer noch in ihm.
    »Wann wollten Sie uns eigentlich Bescheid geben, dass Sie gestern trotz gegenteiliger Anordnung noch zwei Leichen ausgegraben haben, Sheriff?«
    »Irgendwann«, brummte der, ohne den G-Man anzusehen.
    »Und was ist mit der Informationssperre?«, bohrte Cotton weiter. »Meinten Sie gestern nicht, dass die Leute hier besser nichts von den Leichenfunden wissen sollten? Haben Sie über Nacht Ihre Meinung geändert, oder gibt es auf Ihrem Revier ein Leck, durch das diese Information an die Öffentlichkeit gesickert ist?«
    »Wenn Sie was Dienstliches mit mir zu bereden haben, belästigen Sie mich damit nicht in meiner Freizeit«, raunzte der Sheriff ihn an. »Sehen Sie besser zu, dass Sie mit Ihren Ermittlungen in der Spur bleiben.«
    Cotton ersparte sich einen Kommentar. Er verließ das Lokal, kehrte zum Krämerladen zurück und erkundigte sich bei Mrs Cooper nach der attraktiven
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