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Leichensee

Leichensee

Titel: Leichensee
Autoren: Peter Mennigen
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schnell mit unserer Arbeit fertig werden und wieder zurück nach New York kommen. Ich bin einfach nicht für ein Leben auf einer Insel geschaffen. Und die Männer hier gefallen mir nicht.«
    »Die in New York offenbar auch nicht.«
    »Wieso?« Decker zog die Augenbrauen hoch.
    »Na ja.« Cotton räusperte sich. »Sonst hätten Sie gerade das Gespräch von Ihrem Verehrer angenommen.«
    »Woher wollen Sie wissen, dass der Anruf von einem meiner Verehrer war?«
    »Männliche Intuition. Außerdem wären Sie inzwischen verheiratet, wenn Sie den Richtigen getroffen hätten.«
    »Ich muss erst noch für meine Aussteuer sparen.« Der Sarkasmus in Deckers Stimme war nicht zu überhören.
    »Damit können Sie sich Zeit lassen, denn offensichtlich ist bisher niemand in die nähere Auswahl gekommen. Sonst wären Sie wohl kaum solo.«
    »Ich bin solo, weil ich alleine ganz hervorragend zurechtkomme. Wenn ich einen Mann zum Herumkommandieren will, brauche ich mir keinen anzulachen. Das kann ich auch so jeden Tag beim FBI haben. Und jetzt kommen Sie, es wird Zeit, dem Sandmännchen die Aufwartung zu machen.«
    Cotton winkte einen Kellner herbei und griff nach seiner Brieftasche, um zu bezahlen.
    »Lassen Sie mich das machen«, sagte Decker, nahm ihre Handtasche, brachte eine Geldbörse zum Vorschein, klappte sie auf und holte ein paar Geldscheine heraus. Dabei konnte Cotton einen Blick auf das Foto eines gut aussehenden Mannes Ende dreißig mit athletischen Schultern erhaschen. Es steckte in einer Klarsichthülle neben dem Geldfach. »Ich kann unser Essen von meinem FBI-Spesenkonto absetzen.«
    »Sie besitzen ein eigenes Spesenkonto?« Cotton kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.
    Der Kellner trat an ihren Tisch, stellte ein kleines Silbertablett darauf ab und verschwand wieder. Decker nahm die zusammengefaltete Rechnung von dem Tablett, warf einen Blick darauf und steckte sie ein. Dann zählte sie einige Geldscheine ab und ließ sie auf dem Tisch zurück.
    »Gehen wir, Cotton«, sagte sie, steckte die Börse in die Handtasche zurück und lächelte ihren Begleiter an. »Und vielen Dank für den unterhaltsamen Abend.«

4
    Frisch geduscht und rasiert verließ Cotton am nächsten Morgen sein Zimmer und ging in das Hotelbistro hinunter. Im Gegensatz zu gestern Nachmittag waren einige Plätze besetzt. Unter den Hotelgästen befand sich Decker, makellos gekleidet und geschminkt wie immer. Ein Hauch von Parfüm umgab sie. Vor ihr okkupierten ein Glas Orangensaft, ein Teller mit einem Bagel und ein ganzes Sortiment an Konfitüren die Tischplatte.
    Cotton besorgte sich am Büfett einen Kaffee, dazu einen Teller mit Croissants. Damit nahm er auf dem freien Stuhl neben Decker Platz. Während sie frühstückten, besprachen sie den heutigen Tagesablauf.
    »Wir sollten uns aufteilen, damit wir vor Ausbruch des Schneesturms auf Chappaquiddick fertig sind«, schlug Decker vor. »Sie befragen die Leute an den Knotenpunkten – Lokale, Geschäfte, Postamt und so weiter. Ich klingle bei Privathaushalten an und versuche mein Glück mit ein paar Schüssen ins Blaue. Sollte etwas Wichtiges sein, rufen wir uns an. Ansonsten treffen wir uns um siebzehn Uhr wieder am Auto und fahren zurück.«
    »Statten wir Sheriff Pearce einen Höflichkeitsbesuch ab?«
    »Ich wüsste nicht warum. Er hat gestern seine Anweisungen von mir erhalten, mehr braucht er nicht zu wissen. Lassen wir ihn also ungestört mit seinen Freunden auf dem Revier Donuts essen.«
    Nach dem Frühstück verließen sie das Hotel. Auf dem Weg zur Tiefgarage empfing sie ein eisiger Wind, der in den Gesichtern brannte. Über der Insel hingen dichte Wolken, aus denen Graupel rieselte.
    Auf Chappaquiddick gab es nur einen Ort, der praktischerweise denselben Namen trug wie die Insel. Um dorthin zu gelangen, passierten die Agents die Brücke, die die beiden Inseln miteinander verband, und folgten dann Hinweisschildern. Am Ortseingang ließen sie ihr Auto zurück und machten sich zu Fuß auf den Weg. Es war klirrend kalt. Wenigstens hatte es zu schneien aufgehört.
    Chappaquiddick entpuppte sich als ein Nest im Winterschlaf, das trotzdem einen durchaus einladenden Eindruck machte. Pompöse Häuser im viktorianischen Stil wechselten sich mit den architektonisch verspielten Fassaden kleinerer Gebäude ab. Der Frost hatte die Dächer und den Straßenbelag mit weißem Reif überzogen.
    An einer Kreuzung trennten sich die Wege der Agents. Cotton ließ die Privathäuser links liegen und kümmerte sich um
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