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Lebens(t)raum: Eine Sommergeschichte (German Edition)

Lebens(t)raum: Eine Sommergeschichte (German Edition)

Titel: Lebens(t)raum: Eine Sommergeschichte (German Edition)
Autoren: Stefanie Maucher
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Sonnenräder soweit abgebrannt, dass diese sich lösten und ihren kleinen Brüdern flammend auf ihrem Weg ins Tal folgten. Die Nachhut bestand aus den Männern, die dem funkenspeienden Feuerwerk nachjagten.
    Im Dorf angekommen, war das Fest bald in vollem Gange. Damit sich die Kraft der Flammen auf die Menschen übertrug, sprangen sie übers Feuer, hüpften wild um die brennenden Holzstöße herum. Sie hielten sich an den Händen, sangen und tanzten um die Götter zu ehren. Beteten lauthals um Fruchtbarkeit, für ihr Land und ihr Volk. Fässer mit Bier wurden angeschlagen, würziger Gerstensaft und süßer Honigwein benetzte ihre durstigen Kehlen. Tiere wurden durchs fast herabgebrannte Feuer geführt, um Krankheiten fernzuhalten, bevor man die Glut wieder anschürte.
    Im Rausch der Sommernacht schien jegliches Zeitgefühl verloren. Irgendwann ergriffen Ronans kräftige, schwielige Hände die feingliedrigeren, zarten Hände von Britta. Er wirbelte sie übermütig herum, sprang ausgelassen mit ihr über die lodernden Hölzer, deren Funken wie Julkäfer in den Himmel stoben. Glühwürmchen tanzten in den Büschen, vollendeten das Feuerwerk mit ihrer illuminierten Mittsommernachtskunst.
    Atemlos, mit geröteten Wangen, lösten sie sich schließlich aus dem tanzenden Kreis, griffen nach einem der Metbecher, die herumgereicht wurden und löschten einen Teil ihres Durstes. Brittas Augen funkelten und strahlten, wie die Sonne.
    Später, als die Feuer heruntergebrannt waren, zog Ronan sie in seine Arme, führte sie weg von der Glut, hin zum nahe gelegenen Seeufer. Dort verschloss er ihre bebenden Lippen mit einem fordernden und doch sanften Kuss, während seine Finger die Verschnürungen ihres Kleides lösten. Dann entfachte er eine neue, bislang ungekannte Glut in ihr und stillte seinen Durst nach Leben.
     
    ***
     
    Am nächsten Morgen erwachte Britta, vom Kuss der ersten Sonnenstrahlen, die den Tag erhellten. Der Morgentau lag noch über den Blüten und Halmen der Gräser.
    Sie fröstelte ein wenig, zog sich ihr Gewand um die Schulter, welches sie achtlos ins Gras geworfen hatte. Ihr Blick wanderte zärtlich über den schlafenden Mann an ihrer Seite, das saftige, grüne Gras und den See, über dessen spiegelnder Fläche die Seejungfern tanzten. Während sie dem Paarungsflug der azurblauen Libellen zusah, wanderten ihre Gedanken zurück zur letzten Nacht und in eine ferne Zukunft.
    Beschützend legte sie eine Hand auf ihren Leib, in der Hoffnung, die Götter und Göttinnen hätten ihre Bitten um Fruchtbarkeit erhört. Ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen, während sie beobachtete, wie die schillernden Flugakrobaten mit ihren Hinterleibern die Blätter der Wasserpflanzen ritzten, um dort ihre Eier abzulegen. Sie stellte sich vor, wie einst ihre Kinder und Enkelkinder, die kommenden Generationen, an diesem Ufer sitzen und in diesen Wassern fischen würden.
     
    ***

Drei
     In einer damals noch fernen Zukunft, als der Sommerpunkt im Sternbild Schütze lag, kroch die letzte Nymphe ihrer Art aus dem schlammigen, stinkenden Tümpel, in dem sie um ihr Leben gekämpft hatte. Ein Gewitter verdunkelte den Himmel, in den bedrohliche Bauten ragten. Blitze erhellten unheilvoll den Horizont, spiegelten die berohliche Umgebung in unzähligen Einzelaugen wieder. Die Wünsche von Britta und ihrem Volk waren von den Göttern erhört worden. Unaufhaltsam vermehrte sich ihre Art.
    Als die frischgeschlüpfte Libelle die Metamorphose und den Zorn des Himmels überstanden hatte, geschützt unter einem Blatt wartend, hob sie sich hoch in die Lüfte. Sie flog hinweg, über die kränkelnden Bäume, die kargen Sträucher und saftlosen Wiesen, aus denen die blühenden Stauden verschwunden waren, über ölige Pfützen, die ebenso farbenprächtig schillerten, wie ihre filigranen Flügel. Sie pflückte eine toxisch schmeckende Blattlaus von einem gepflegten und getrimmten Rosenstrauch und saugte sie gierig im Flug aus. Sondierte ihre Umgebung, auf der Suche nach Lebensraum.
    Ihre Facettenaugen erblickten ein langes, schwarzes Band, welches sich wie ein Fluss bis zum Ende des Horizonts zog. Die Sonne verdampfte rasch das Nass, welches sich darauf gesammelt hatte. Die Libelle erhöhte die Frequenz ihres Flügelschlages auf etwa 30 Schläge pro Sekunde, beschleunigte auf ihre Maximalgeschwindigkeit von 50 km/h und raste über diesen seltsamen, nach Teer stinkenden Bachlauf hinweg, jagte über die Autobahn, bevor sie an einer Windschutzscheibe
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