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Lebensabende & Blutbaeder

Lebensabende & Blutbaeder

Titel: Lebensabende & Blutbaeder
Autoren: Manfred Rebhandl
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Nurmi über die Aschenbahn, unaufhaltsam wie der rollende Donner, ein Weltklasseerlebnis. Wenn der Biermösel dann nur noch Gas geben braucht und in der gewissen Aerodynamik tief über den Tank gebeugt fast einschläft; wenn er in die pechschwarze Nacht eintaucht und die Straße geradeaus führt und keine Kurve seine Fahrkünste herausfordert, dann kommt er immer ganz gewaltig ins Sinnieren, und fast löst sich dann der Geist von der Jammergestalt. Die Gedanken schießen ihm dabei im Schädel nur so hin und her. Es sind Gedanken an die Anni, die dann in ihm arbeiten, und die quälende Frage, warum es mit ihr – und mit keiner anderen auch nicht, Kruzifix! – nie etwas geworden ist. Er studiert, warum ihre zwei Rotzmäderln nicht von ihm sind, wo er doch immer so gerne was Kleines gehabt hätte! Und er fragt sich, warum er überhaupt – was das familiäre Glück und auch alles andere Glück der Welt angeht – so am Leben vorbeigegangen ist, aber so!
    Was die stetig sinkende Geburtenrate vom Staatsganzen anbelangt, traut er sich heute fast zu wetten, wird er die Kastanien auch nicht mehr aus dem Feuer holen. Dafür passt es unten herum einfach hinten und vorne nicht mehr, als dass er noch was Kleines zusammenbringen täte. Und wo die Frau wäre, die ihm noch was austragen täte, fällt ihm aus der Hüfte heraus geschossen auch nicht ein, weit und breit sieht er keine, die von ihm ein Kind empfangen möchte.
    Stattdessen nur Demütigungen und Niederlagen, wenn es um die Liebe geht! Die Liz Taylor, muss er sich eingestehen, die Liz Taylor unter den Gendarmen wird er nicht mehr werden, wenn sein imposanter Negativlauf bei den Damen weiter anhält. Eher wird er auf ewig die Mutter Teresa der Gendarmerie bleiben, eine brave und keusche Ansammlung von Knochen und Haut. Vielleicht, dass er bei der eine Chance gehabt hätte, sinniert er jetzt, vielleicht, dass ihn die Mutter Teresa geheiratet und ihm was ausgetragen hätte, unten in Kalkutta?
    Da freilich wirkt schon der Geist aus der Flasche, die er immer im Wetterfleck mit sich trägt, und er fragt sich mit Grausen, ob es wirklich schon so weit ist, dass er sich die Mutter Teresa schönsaufen muss?
    Der Marillene wärmt zwar und tröstet. Er balsamiert die Seele und bettet sie in wohlig duftende Rosenblätter. Aber er treibt ihm auch die Tränen in die Augen, wenn er daran denkt, wie sein Leben hätte ausschauen können, wenn er nicht die komplett falsche Abzweigung in Richtung komplett falscher Berufswahl genommen hätte.
    Weinen muss er jetzt, wenn er daran denkt, wie sein Leben hätte ausschauen können, weinen und noch einmal weinen! Und wenn er an seine verpasste Lebenschance in der Bierfahrerei denkt, dann kommen ihm immer die Radinger Spitzbuben in den Sinn, die seine Lieblingsband sind. Und wenn ihm die in den Sinn kommen, dann ist er nicht mehr zu halten und er schwebt auf der Fips dahin und singt gegen die Waschküche an, die ihm die Gesichtshaut gerbt. Mit einer immensen Inbrunst singt er dann, die ihm die salzigen Tränen noch gewaltiger aus den Drüsen herausdrückt, und die Rehe und Hirsche und Fasane in den tiefen Wäldern entlang der Bundesstraße dürfen sich anhören, wie der Biermösel schmettert:
    Was mir so am Bier gefällt:
Bier gibt‘s auf der ganzen Welt!
Biere sagt der Franzos zum Bier.
The englishman says beer statt Bier
Der Pizzamann nennt’s Bier Birra
Cerveza sagt der Spania
wenn er sich ein Bier bestellt
Bier gibt‘s auf der ganzen Welt!
    Und tschinbumm, na Gott sei Dank, streut es ihn aber so her! Ein abgebrochener Ast wird ihm fast zum Verhängnis, der natürlich wieder mitten auf der Straße herumliegt, wo denn sonst! Wer weiß, ärgert er sich, wer den wieder hat liegen lassen? Können denn die Leute überhaupt nicht mehr aufpassen?
    Ein reaktionsschnelles, in das gedehnt-falsettartig gesungene „Biiiiier“ hinein ausgeführtes Ausweichmanöver lässt sein Vorderrad auf der nasskalten, stark belaubten Fahrbahn seitlich wegrutschen, da ist er noch Herr der Lage, Akrobat Schön am Zweirad. Dann aber verfängt sich das depperte Vorderrad hauruckartig in besagtem Ast und die Gesamtheit aus Fips, Biermösel und Ast rutscht ungebremst in Richtung Straßenbankett, stoppt dort allerdings augenblicklich ab, weil sie – die Gesamtheit – sich in einem Begrenzungspfosten verfängt. Da staucht es ihn – noch auf der Fips, noch aerodynamisch – so unvermittelt her, dass es ihn über die Fips, den Ast und den Begrenzungspfosten hinweg
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