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Leben im Buero

Leben im Buero

Titel: Leben im Buero
Autoren: Christoph Bartmann
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Verschwiegenheit. Was wir aber noch mehr schätzen, wofür wir aber in den Beurteilungsbögen die passenden Rubriken vermissen, ist die Fähigkeit, den ganzen Apparat, dem wir uns ergeben haben, in Frage zu stellen und zu selbständigen Denkansätzen, Vorschlägen, Wirkungen und überhaupt Arbeitsergebnissen zu finden. Manchmal gibt es Kollegen, denen wir diese Fähigkeiten attestieren, aber da sie nirgendwo angefragt wurden, machen wir unsere Kreuzchen dann eben an den vorgesehenen Stellen: »Sozialkompetenz«, »Fachkompetenz«, »Managementkompetenz«. Das Beurteilungsschema fordert und fördert die Anpassung, die Geschmeidigkeit, mit der sich jemand durch den Betrieb schlängelt – und keineswegs den, der, um es in der Sprache des Management-Ratgebers zu sagen, »den Unterschied macht«. Warum all diese Schablonen und Surrogate, warum die tausend benutzerfreundlichen Instrumente, die unsere Arbeitstage bis zum Überlaufen anfüllen? Sie sind die Strafe, die wir für die Entmächtigung unserer Intuitionen und für die Entkräftung unserer Urteilskraft zu bezahlen haben.
    Ein Personalberater erzählte uns bei einer der vielen Personalentwicklungsmaßnahmen, man könne grob gesprochen vier Typen von Mitarbeitern unterscheiden: erstens den Star , der kann und will, zweitens das Workhorse , das immer will, aber nicht immer kann, drittens das Problem , das zwar kann, aber meistens gerade nicht will, und viertens schließlich Deadwood , eine freundliche Umschreibung für diejenigen, die nicht können und nicht wollen. Man kann darüber ins Grübeln kommen, wie viele Stars eine Organisation gebrauchen kann, und wie viele Deadwoods ihr zum Verhängnis werden. Noch interessanter ist die Frage nach der vertikalen Mobilität zwischen den vier Gruppen: kann ein Star zum Problem werden, und wie kann man ein Deadwood in ein Workhorse verwandeln? Wahrscheinlich lehrt die Empirie, dass viele Menschen in ihrem Arbeitsleben genau in der Umlaufbahn verharren, zu der sie die passende innere Ausstattung schon mitgebracht haben. Training, gute Gespräche und fördernde Betreuung mögen ihre Wirkung tun, aber sie führen eher zu Korrekturen als zu Veränderungen. Vor diesem Hintergrund erscheint dann die herrschende Beurteilungskultur als ein gewaltiges Placebo, das den Glauben an die Veränderlich- und Beeinflussbarkeit unserer Charaktere durch gutes Zureden am Leben erhalten soll. In den Beurteilungen stoßen unsere realen und selten durch Maßnahmen kurierbaren Beschränkungen auf die heile Welt der Pädagogik. Es ist seltsam: im Großen und Ganzen haben wir kaum noch eine Möglichkeit, eine schlechte Leistung eine schlechte Leistung und keine Leistung keine Leistung zu nennen. Gleichzeitig aber kann man hören, dass Leute wie wir »endlich nach Leistung« bezahlt werden sollen. Es muss gute Gründe dafür gegeben haben, dass man Beamte und öffentlich Angestellte nicht nach Leistung, sondern nach Aufgaben und Verantwortung bezahlte. Dann aber kam die Messwut, verbunden mit einer Pauschalkritik an mangelnder Leistungsbereitschaft der Staatsdiener. Die Kritiker des öffentlichen Dienstes meinten, was nicht verlässlich an Indikatoren der Zielerreichung oder Aufgabenerfüllung gekoppelt sei, könne unmöglich eine Leistung sein – so wie die Steigerung des Quadratmeter-Umsatzes in einer McDonalds-Filiale eine Leistung ist. Der öffentliche Sektor ist (oder er war einmal) ein einziger großer Vertrauensvorschuss, dem durch mäßige Bezahlung eine Misstrauenskomponente von Beginn an eingebaut war. Die mäßige Bezahlung ist geblieben, aber der Vertrauensvorschuss ist weitgehend dahin.
    Â 
    17:00 Uhr: Budgetbesprechung. Man kann sich natürlich auch mit einer gewissen Sportlichkeit und fast schon freudig durch solche Tage bewegen. Die Hölle sieht anders aus. Wenn das die verwaltete Welt ist, dann muss man sich vor ihr nicht fürchten. Aber vielleicht ist dies gar nicht mehr die verwaltete Welt, sondern die fabelhafte Welt der Post-Bürokratie oder richtiger der neuen Managerial-Bürokratie. Wir sind ja längst keine Verwalter mehr, keine Bürohengste und Paragrafenreiter. Wir sind betriebswirtschaftlich mobil gemachte und unternehmerisch geschärfte Projektemacher im öffentlichen Dienst. Wobei es wohl gar nicht darauf ankommt, ob wir im öffentlichen Dienst sind oder in einem
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