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Lean In: Frauen und der Wille zum Erfolg (German Edition)

Lean In: Frauen und der Wille zum Erfolg (German Edition)

Titel: Lean In: Frauen und der Wille zum Erfolg (German Edition)
Autoren: Sheryl Sandberg
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abschloss, zum anderen hatte ich damals kein allzu gutes Verhältnis zu Technik. Als Bachelorstudentin habe ich genau einmal das Computersystem von Harvard benutzt, um Regressionsanalysen durchzuführen für meine Abschlussarbeit über die wirtschaftlichen Folgen von Gewalt in der Ehe. Die Daten waren auf großen, schweren Magnetbändern gespeichert, die ich in riesigen Kisten über den Campus schleifen musste. Dabei fluchte ich die ganze Zeit und kam völlig verschwitzt und fertig im einzigen vorhandenen Computerzentrum an, das ausschließlich von männlichen Studenten bevölkert war. Dann musste ich die ganze Nacht aufbleiben und die Bänder drehen, damit die Daten eingelesen werden konnten. Als ich die abschließenden Berechnungen durchführen wollte, brachte ich das gesamte System zum Absturz. Ganz genau. Darin bin ich Mark zuvorgekommen, Jahre später ließ er bekanntermaßen das gleiche Harvard-System abstürzen.
    Als ich das College abschloss, hatte ich nur äußerst vage Vorstellungen davon, wohin die Reise gehen sollte. Meine Verwirrung stand in komplettem Gegensatz zu dem klaren Berufswunsch, den mein Vater seit seiner Jugend hatte. Als mein Vater sechzehn war, verspürte er während des Basketballtrainings starke Schmerzen im Bauch. Meine Großmutter – als gute jüdische Mutter – nahm an, dass es vom Hunger kam und setzte ihm ein reichhaltiges Abendessen vor. Dadurch wurde alles noch schlimmer. Er kam ins Krankenhaus, wo eine akute Blinddarmentzündung festgestellt wurde. Doch weil er ja gegessen hatte, konnte er zwölf qualvolle Stunden lang nicht operiert werden. Am nächsten Morgen entfernte ein Chirurg seinen Blinddarm und damit verschwanden auch die Schmerzen. Seit diesem Tag stand der Berufswunsch meines Vater fest: Er wollte Arzt werden, um das Leiden anderer Menschen lindern zu können.
    Auch meine Mutter hatte den Wunsch, anderen zu helfen. Sie war erst elf, als sie eine Predigt ihres Rabbis hörte über die Bedeutung von Bürgerrechten und tikkun olam, einem hebräischen Ausdruck, der »Reparatur der Welt« bedeutet. Sie reagierte auf diese Aufforderung, indem sie sich eine Blechdose nahm und an den Haustüren klingelte, um für Menschenrechtler im Süden zu sammeln. Bis heute ist sie mit Leidenschaft ehrenamtlich tätig und engagiert sich als Menschenrechtsaktivistin. In meiner Kindheit erlebte ich meine Mutter bei der unermüdlichen Arbeit für verfolgte Juden in der Sowjetunion. Sie und ihre Freundin Margery Sanford schrieben schöne und herzerweichende Appelle für die Freilassung politischer Gefangener. An den Abenden gesellte sich mein Vater zu ihnen. Dank der gemeinsamen Bemühungen engagierter Menschen auf der ganzen Welt wurden viele Menschenleben gerettet.
    Während meiner gesamten Kindheit betonten meine Eltern immer wieder, wie wichtig es sei, ein sinnvolles Leben zu führen. In den Gesprächen beim Abendessen ging es oft um soziale Ungerechtigkeit und um Menschen, die dafür kämpften, die Welt ein Stück besser zu machen. Als Kind habe ich nie darüber nachgedacht, was ich mal werden, sondern was ich mal tun will. So kitschig das auch klingen mag, ich habe gehofft, die Welt zu verändern. Meine Schwester und mein Bruder wurden beide Ärzte. Ich bin immer davon ausgegangen, dass ich einmal in einer gemeinnützigen Organisation oder für die Regierung arbeiten würde. Das war mein Traum. Und auch wenn ich nicht glaube, dass man jeden Schritt einer Karriere planen sollte, glaube ich durchaus, dass ein langfristiger Traum oder ein langfristiges Ziel sinnvoll ist.
    Ein langfristiger Traum muss nicht realistisch oder gar konkret sein. Es kann der Wunsch sein, in einem bestimmten Bereich zu arbeiten oder durch die Welt zu reisen. Vielleicht ist es der Traum von beruflicher Freiheit oder ausreichend Freizeit. Vielleicht die Sehnsucht, etwas Dauerhaftes zu erschaffen oder einen begehrten Preis zu gewinnen. Manche Ziele erfordern traditionellere Wege: Wer Verfassungsrichter werden will, sollte wahrscheinlich mit einem Jurastudium beginnen. Aber selbst ein vages Ziel kann eine Richtung vorgeben und als Meilenstein in der Ferne dienen, auf den man sich zubewegt.
    Den Traum meiner Kindheit im Blick, nahm ich nach dem College eine Stelle bei der Weltbank an, als wissenschaftliche Mitarbeiterin von Larry Summers, der dort eine Amtszeit lang Chefökonom war. Die Weltbank mit Sitz in Washington hat die Aufgabe, die Armut weltweit zu lindern. Meine ersten neun Monate verbrachte ich in den
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