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Lauter Bräute

Lauter Bräute

Titel: Lauter Bräute
Autoren: Bernard Glemser
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mich um eine Stellung zu kümmern. Schließlich setzte ich mich eines Nachmittags in meinem Hotelzimmer ans Telefon und rief Miß Paula Ponsonby im Hause Fellowes, Fifth Avenue, an. Eine kühle, kleine Stimme antwortete: »Miß Ponsonby, Personalabteilung.«
    »Oh, Miß Ponsonby. Ich rufe an wegen — «
    »Hier ist nicht Miß Ponsonby. Hier ist Miß Ponsonbys Sekretärin. Wollten Sie sich um eine Stellung im Verkauf bewerben?«
    »Nun, ja, ich —«
    »Bitte, bewerben Sie sich schriftlich, mit Alters- und Geschlechtsangabe, Qualifikationen, bisherige Stellungen, etcetera. Telefonische Bewerbungen können wir unmöglich entgegennehmen.«
    »Wissen Sie, mein Onkel riet mir, Miß Ponsonby anzurufen«, sagte ich.
    Das Mädchen schien überrascht: »Ihr Onkel? Und wer, wenn ich fragen darf, ist Ihr Onkel?«
    »Sein Name ist Edward D’Arcy Gifford, und er ist — «
    »Oh, heilige Dreifaltigkeit«, stotterte das Mädchen, offensichtlich aus dem Konzept gebracht. »Würden Sie sich, bitte, einen Moment gedulden?« Es wurde still in der Leitung. Und dann kam eine sehr weiche, sehr liebenswürdige Stimme: »Miß D’Arcy Evans?«
    »Ja.«
    »Wie schön, daß Sie sich melden. Ihr Onkel schrieb mir aus Paris, daß Sie mich anrufen würden, und da sind Sie also. Fein, daß Sie nicht zu lange warteten. Sagen Sie mir, Miß Evans, wie geht es Ihrem Onkel?«
    Sicher hatten sie sich einmal geliebt, dachte ich. Die Stimme klang so warm, so liebevoll. Ich konnte sie mir direkt vorstellen — eine große, schlanke, strahlend schöne Frau mit dunklen Augen und schimmerndem, dunklem Haar. Ich versicherte ihr, meinem Onkel gehe es gut.
    »Das freut mich aber. Wann also können wir beide uns ein wenig unterhalten? Morgen früh vielleicht? Um halb elf?«
    So bald schon! Ich war baff. In der Botschaft pflegten wir wesentlich geruhsamer zu arbeiten. Doch die Verabredung war getroffen, und am nächsten Morgen um halb elf war ich in ihrem Büro. Ob sie und mein On-, kel einmal ein Liebespaar waren, habe ich nie herausgefunden, doch was ich sofort als erstes feststellte, war, daß man einen Menschen nie nach dem Klang seiner Stimme am Telefon beurteilen soll. Vielleicht war Miß Ponsonby einmal schlank und berückend schön gewesen; jetzt jedenfalls war sie ein Koloß von Frau, furchterregend in ihrem Umfang. Wie viele füllige Frauen hatte sie ein hübsches, unschuldiges Gesicht, eine Pfirsichhaut und babyblaue Augen; und selbst diese babyblauen Augen trogen, denn sie sahen mir sofort direkt bis ins Mark.
    Wir unterhielten uns ein paar Minuten, dann sagte sie: »Mit Ihrem Hintergrund, ganz abgesehen von dem, was Ihr Onkel mir über Sie schrieb, würden Sie zweifellos eine sehr willkommene Ergänzung unseres Personals sein.«
    Eine sehr willkommene Ergänzung unseres Personals. Innerlich spreizte ich mich wie ein Pfau. »Danke«, murmelte ich.
    »Ich habe hier«, sie blätterte in einigen Papieren auf ihrem Schreibtisch, »zwei Stellen, die Sie interessieren könnten. Die eine ist in der Public-Relations-Abteilung —«
    »Public Relations! Das habe ich immer schon gern gewollt!«
    »Jedes aufgeweckte Mädchen mit College-Ausbildung, das zu mir kommt, möchte in die Public-Relations-Abteilung, Miß Evans«, sagte sie, — ein wenig betrübt, wie mir schien. »Trotzdem lassen Sie mich sagen, wo die andere Stelle ist: In Brautausstattungen.«
    Ich lächelte sie an. »Da haben wir’s. Von Public Relations verstehe ich ein kleines bißchen, Miß Ponsonby; das habe ich mehr oder weniger’ an der Botschaft gemacht. Aber von Brautkleidern, Schleiern und Spitzen verstehe ich überhaupt nichts, fürchte ich. Da wäre ich verraten und verkauft.«
    Ihre blauen Augen waren fest auf mich gerichtet. Ich begann, mich allmählich unbehaglich zu fühlen. Aus irgendeinem Grunde erinnerte sie mich an meinen Onkel. Sie sprach ruhig, ohne besonderen Nachdruck: »Sie mögen denken, die Wahl sei klar. In der Public-Relations-Abteilung würden Sie beispielsweise mehr verdienen. Die Stelle in Brautausstattungen ist so dotiert, fürchte ich, daß Sie hier in New York nicht gerade fürstlich davon leben können. Was jedoch noch mehr ins Gewicht fällt — ich muß es offen sagen — ist, daß die Stellung sehr, sehr viel verlangt. Bisher haben wir nicht viel Glück mit der Besetzung gehabt. Sie würden Assistentin der Einkäuferin, Mrs. Snell, sein, und mit ihr umzugehen, ist nicht eben ein Kinderspiel. Sie ist eine Perfektionistin, und wie schwierig die sein können,
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