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Last days on Earth

Last days on Earth

Titel: Last days on Earth
Autoren: Susanne Gerdom
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barsch.
    Die Antwort ließ einen Moment auf sich warten. Dann antwortete die
Stimme: »Oh. Na gut. Kommen sie rauf.« Das Türschloss summte.
    Karla nahm die breite, mit Teppich belegte Treppe mit schnellen
Schritten und landete vor einer weiß lackierten Holztür, die einen Spalt offen
stand. Sie klopfte an und schob die Tür auf.
    Eine große Eingangsdiele mit drei Türen. Karla registrierte den
Parkettboden, die dezente Tapete, den echten Stuck, die indirekte Beleuchtung
und die Antiquitäten. Kein Spiegel an der Garderobe. Bilder an den Wänden, nachgedunkelt.
Alt. Alles wirkte edel und kostspielig. Das Einzige, was störte, war ein
seltsam fauliger Geruch wie von einer übervollen Mülltonne. Das passte nicht so
ganz in diese elegante Umgebung.
    Â»Herr Winter?«, rief Karla.
    Â»Kommen Sie rein. Linke Tür.«
    Sie durchquerte die Diele. Die linke Tür führte in einen hellen,
weitläufigen Raum mit bodentiefen Fenstern. Karla blieb an der Tür stehen und
sah sich verblüfft um. Was auch immer sie erwartet hatte – das war es nicht.
    In satten Farben glühende orientalische Seidenteppiche auf dunklem
Eichenparkett, zart gemusterte Tapeten, Kristallleuchter und Stilmöbel, Bilder
und Kunstgegenstände, eine Wand mit alten Büchern – alles nicht ihr Stil, aber
dennoch war sie gegen ihren Willen beeindruckt.
    Andererseits herrschte aber auch das absolute Chaos.
Kleidungsstücke, Papiertüten und Plastikbeutel, bekritzelte Zettel und
abgekaute Bleistiftstummel, Pappbecher und kostbare Kristallgläser lagen und
standen Seite an Seite auf einem Tisch; daneben Teetassen, in denen ölige
Pfützen standen, und Teller mit kalten und zum Teil schimmligen Essensresten,
überquellende Aschenbecher neben aufgeschlagenen Büchern, Schuhe, zusammengeknüllte
Verpackungen von Süßigkeiten, Fast-Food-Kartons, leere Flaschen, zerdrückte
Dosen, verwelkende Blumen in einer Vase, über einer Stehlampe hing ein Hut, auf
dem Boden waren Papierfetzen verteilt und es roch durchdringend nach einer
Mischung aus verdorbenen Lebensmitteln, Rauch, Alkohol und Mann.
    Letzterer erhob sich aus einem Sessel und nickte Karla zu. »Gehen
wir nach nebenan in mein Arbeitszimmer«, sagte er.
    Karla bemerkte, dass sie sich jetzt schon an seine mangelnden
Umgangsformen zu gewöhnen schien. Statt sich darüber zu ärgern, musterte sie
Raoul Winter ungeniert und gründlich vom Kopf bis zu den Füßen.
    Er war groß, bestimmt anderthalb Köpfe größer als sie, und schlank
an der Grenze zur Hagerkeit. Er trug einen ungepflegten Kinnbart, der in ebenso
ungepflegte Stoppeln überging, sein viel zu langes dunkelbraunes Haar hatte
sichtlich schon länger kein Shampoo mehr gesehen und hing ihm zottelig in die
Stirn. Am Leib trug er eine dreckige, am Knie zerrissene Jeans und ein verwaschenes,
offenes Hemd. Sie konnte seine Rippen sehen und die Narbe eine Handbreit
unterhalb seines Schlüsselbeins, die aussah, als wäre er mit einem Brandeisen
gezeichnet worden.
    Sie ließ ihren Blick hinunterwandern zu den komplett nackten Füßen,
die auf dem teuren Orientteppich standen. Nackte, schmutzige Füße. Er sah aus, als wäre er barfuß durch den Park gejoggt, und zwar nach
einem Regenguss. An seinen Zehen klebte Gras, und Schlamm trocknete zwischen
ihnen zu braunen Krusten.
    Karla blinzelte mehrmals und räusperte sich. »Sind Sie Raoul Winter?«,
fragte sie misstrauisch.
    Â»Wen haben Sie sonst erwartet?« Er verschwand ohne ein weiteres Wort
im Nebenzimmer.
    Karla schüttelte den Kopf. Sie musste sich nicht mit diesem Irren
auseinandersetzen. Sie konnte Obermagister Korngold anrufen und darum bitten,
einem Kollegen den Fall zu übertragen. Einen Moment lang stellte sie sich die
Reaktion ihres Chefs vor, dann seufzte sie und folgte dem Irren.
    Das Arbeitszimmer war ein nüchtern eingerichteter Raum. Hier gab
es weder Teppiche noch Antiquitäten. Ein großer Schreibtisch dominierte das
Zimmer, der ebenso vollgemüllt war wie das Wohnzimmer. Winter schaltete das
Deckenlicht an, das kalt und unfreundlich mit dem dämmrigen Tageslicht
kollidierte, das durch die halb zugezogenen Vorhänge ins Zimmer fiel.
    Â»Setzen Sie sich irgendwohin«, sagte Winter und wedelte unbestimmt
in die Richtung einer kleinen Sitzgruppe. Karla räumte den Stapel Papier und
Zeitschriften von einem der Sessel, betrachtete
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