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Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan

Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Lasst Knochen sprechen: 3. Fall mit Tempe Brennan
Autoren: Kathy Reichs
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den Osten der Stadt.
    Jahrelang hatte sich das Forensiklabor im fünften Stock eines Hauses befunden, das als SQ-Gebäude bekannt ist. Die Provinzpolizei, die Sûreté du Québec, besetzte den Rest der Etagen, bis auf eine Reihe von Arrestzellen im zwölften und im dreizehnten Stock.
    Kürzlich hatte die Regierung von Quebec jedoch Millionen für die Renovierung des Gebäudes ausgegeben. Der Arrestbereich kam in andere Stockwerke, und die gerichtsmedizinischen und kriminaltechnischen Labore sind nun in den obersten beiden Etagen untergebracht. Seit dem Umzug waren Monate vergangen, aber ich konnte die Veränderung noch immer nicht so recht glauben. Von meinem neuen Büro aus hatte ich einen spektakulären Blick auf den St. Lawrence, und mein Labor war Spitzenklasse.
    Um halb vier am Freitagnachmittag ließ die gewohnte Hektik und Geschäftigkeit der Arbeitswoche bereits deutlich nach. Die Türen schlossen sich eine nach der anderen, und die Armee der weiß bekittelten Wissenschaftler und Techniker dünnte sich aus.
    Ich schloss die Tür zu meinem Büro auf und hängte meine Jacke an den hölzernen Garderobenständer. Drei weiße Formulare lagen auf meinem Schreibtisch. Ich nahm das mit LaManches Unterschrift zur Hand.
    Die »Demande d’Expertise en Anthropologie«, die Bitte um ein anthropologisches Gutachten, stellt oft meinen ersten Kontakt mit einem Fall dar. Sie wird vom bearbeitenden Pathologen ausgefüllt und liefert mir die wesentlichen Daten zum Auffinden der Akte.
    Mein Blick wanderte die rechte Spalte entlang. Labornummer. Leichenhallennummer. Polizeiberichtnummer. Klinisch und effizient. Die Leiche wird etikettiert und archiviert, bis die Räder der Gerechtigkeit in Gang kommen.
    Ich wechselte zur linken Spalte. Pathologe. Coroner. Ermittelnder Beamter. Ein gewaltsamer Tod ist die terminale Verletzung der Intimsphäre, und diejenigen, die ihn untersuchen, sind die ultimativen Voyeure. Obwohl ich ein Teil davon bin, fühle ich mich nie wohl bei der Gleichgültigkeit, mit der das System an die Toten und die Todesermittlung herangeht. Auch wenn ein gewisses Maß an Distanz unabdingbar ist, um sich das eigene emotionale Gleichgewicht zu bewahren, habe ich doch immer das Gefühl, dass das Opfer etwas mehr persönliche Anteilnahme verdient hat.
    Ich überflog die Zusammenfassung der bekannten Fakten. Nur in einem Punkt wich sie von LaManches telefonischem Bericht ab. Bis dato waren insgesamt zweihundertundfünfzehn Fragmente geborgen worden. Das größte Stück wog zehn Pfund.
    Ohne mich um die anderen Formulare und den Stapel Telefonnachrichten zu kümmern, machte ich mich sofort auf die Suche nach dem Direktor.
    Ich hatte LaManche selten in etwas anderem gesehen als in Labormantel-Weiß oder chirurgischem Grün. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er lachte oder Holzfällerhemden trug. Er war ernst und freundlich und auf Tweed beschränkt. Und er war der beste Pathologe, den ich kannte.
    Ich sah ihn durch das Glasrechteck neben seiner Bürotür. Seine schlaksige Gestalt saß über einen Schreibtisch gebeugt, auf dem sich Papiere, Zeitschriften und ein Stapel Akten in allen Primärfarben türmten. Als ich klopfte, hob er den Kopf und winkte mich herein.
    Das Büro roch wie sein Benutzer schwach nach Pfeifentabak. LaManche hatte die Angewohnheit, sich sehr leise zu bewegen, und manchmal war dieser Geruch der erste Hinweis auf seine Anwesenheit.
    »Temperance.« Er betonte die letzte Silbe, sodass der Name sich auf France reimte. »Vielen Dank, dass Sie so früh zurückgekommen sind. Bitte setzen Sie sich.«
    Immer makelloses Französisch, ohne Verschleifungen oder umgangssprachliche Ausdrücke.
    Wir setzten uns an einen kleinen Tisch vor seinem Schreibtisch. Eine Anzahl brauner Umschläge lag darauf.
    »Ich weiß, dass es zu spät ist, um jetzt noch mit der Analyse zu beginnen, aber könnten Sie vielleicht morgen hereinkommen?«
    Er hatte ein langes, hager-kantiges Gesicht mit tiefen Längsfalten. Als er fragend die Augenbrauen hob, verlängerten sich die Furchen über seinen Augen zur Mitte hin.
    »Ja. Natürlich.«
    »Vielleicht wollen Sie mit den Röntgenaufnahmen anfangen.«
    Er deutete auf die Umschläge und drehte sich dann zu seinem Schreibtisch um.
    »Und hier sind die Tatort- und Autopsiefotos.« Er gab mir einen Stapel kleinerer brauner Umschläge und eine Videokassette.
    »Die beiden Biker, die die Bombe zum Clubhaus der Vipers schleppten, wurden zerfetzt und ihre Überreste über ein großes
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