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Lass nur dein Herz entscheiden

Lass nur dein Herz entscheiden

Titel: Lass nur dein Herz entscheiden
Autoren: Helen Brooks
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zu schweigen von den zahlreichen Piercings – hatte ihre Mutter Clara sofort als schlechten Einfluss abgestempelt.
    In Wirklichkeit war Clara unglaublich witzig, nett und großzügig, und Miriam hatte keine Ahnung, wie sie ohne sie durch die vergangenen zehn Monate gekommen wäre.
    „Du musst sie natürlich in Schutz nehmen.“ Anne schnaufte verächtlich. „Weiß Jay, dass du über Weihnachten in die Schweiz fährst?“
    Verlier nicht die Nerven. Sie liebt dich und ist besorgt. Außerdem willst du doch nicht, dass sie sich unnötig aufregt. „Warum sollte Jay darüber informiert sein, was ich tue oder nicht tue?“, fragte Miriam bemüht ruhig.
    „Weil er dein Mann ist, natürlich.“
    „Nur dem Namen nach. Und du kannst es ebenso gut jetzt schon erfahren: Ich werde ihn bald um die Scheidung bitten.“ Miriam hatte es nur deshalb nicht längst gemacht, weil sie sich nicht dem Wirbel aussetzen wollte, der sich daraus ergeben würde. Es war einfacher gewesen, so zu tun, als würde Jay nicht existieren. In dieser Zeit hatte sie ihre Wunden geleckt und versucht, ihr seelisches Gleichgewicht wiederherzustellen. Was ihr inzwischen gelungen war. Mir geht es viel besser, versicherte sie sich. Eigentlich lief sogar alles wieder ganz normal.
    „Dann bist du also weiter fest entschlossen, ihm nicht zu glauben?“
    Wie oft hatten sie schon darüber gesprochen, seit sie ihr schönes eheliches Heim verlassen hatte und in das Einzimmerapartment gezogen war? Zu oft. „Dieses Gespräch führt zu nichts, und ich komme zu spät zu einer Verabredung. Ich rufe dich am Wochenende an, ja?“
    Miriam schaltete ihr Handy aus. Das würde ihrer Mutter natürlich nicht gefallen, die sich als Märtyrerin in dieser Situation sah: gestraft mit der undankbarsten und dickköpfigsten Tochter der Welt. Bestimmt beklagte sie sich bei ihrem armen Stiefvater über sie.
    Niemals würde Miriam verstehen, wie ihre Mutter Jay nach dem, was er getan hatte, noch immer für das Nonplusultra halten konnte. Andererseits waren die meisten Frauen Wachs in seinen Händen. Wie sie es gewesen war. Früher einmal.
    Mit zusammengepressten Lippen nahm Miriam ihre Schlüssel und ging nach einem schnellen Blick durch das helle und sehr aufgeräumte Zimmer hinaus. Als sie es an einem düsteren Wintertag Anfang des Jahres zum ersten Mal gesehen hatte, hätte man es vielleicht grässlich nennen können, fiel ihr ein, während sie die steile Treppe zu Claras Apartment im Erdgeschoss des dreistöckigen viktorianischen Reihenhauses hinunterlief. Aber viel Arbeit, etwas Wandfarbe, ein neuer Laminatboden und ihre eigenen Möbel hatten den Raum völlig verändert.
    Die Miniwohnung ist mein Zufluchtsort, dachte Miriam, als sie vor Claras Tür stehen blieb. Ihr cremefarbenes Sofa wandelte sie abends in ein Bett um, der Bistrotisch stand vor dem großen Fenster, das einen Panoramablick auf Londoner Dächer und den Himmel bot. Eine Aussicht, die niemals aufhörte, Miriam zu begeistern.
    In einer Ecke war die kleine Küche untergebracht. Die Einbauschränke an der Wand – jetzt schneeweiß gestrichen – sorgten dafür, dass nichts herumlag. Miriam hatte schnell gelernt, dass ein über eine Stuhllehne gehängter Pullover genügte, um das kleine Zimmer unordentlich aussehen zu lassen.
    Sie klopfte an Claras Tür. Gelegentlich kochten sie füreinander, und an diesem Abend war Clara an der Reihe, die sofort aufmachte.
    „Wie immer bist du auf die Sekunde pünktlich“, sagte Clara staunend. Pünktlichkeit war nicht ihre Stärke.
    Ordentlichkeit auch nicht. Durch die auf dem Boden verstreuten Kleidungsstücke, Zeitschriften und Schuhe bahnte sich Miriam einen Weg zum Küchenbereich. „Was immer du gekocht hast, es duftet fantastisch.“ Es war eine Eigenart von Clara, dass sie einfach jede Menge Zutaten zusammenschütten konnte und stets etwas sehr Leckeres dabei herauskam.
    Clara rümpfte die Stupsnase. „Ich hatte nichts da, deshalb gibt es Zwiebel-Senf-Kartoffelbrei mit Bratwürstchen. Nichts Besonderes. Nimm dir ein Glas Wein.“ Eine geöffnete Flasche stand auf der kleinen Frühstückstheke, die die Küche vom Rest des Zimmers trennte. „Es ist ein guter. Dave hat ihn neulich Abend mitgebracht.“
    Seitdem Miriam sie kannte, hatte Clara mehrere Freunde gehabt. Im Schnitt hielt sich keiner länger als einen Monat. Sobald Clara einen Mann dazu gebracht hatte, sich ernsthaft für sie zu interessieren, begann sie sich zu langweilen. Und schon wurde ein weiterer
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