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Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Kyria & Reb Bis ans Ende der Welt (German Edition)
Autoren: Andrea Schacht
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geschlossene Augen, eine Wange blau geschlagen, zerbissene, trockene Lippen.
    Und ein leises Stöhnen.
    Ich erkannte ihn – der Junge, den die Sanitäterinnen ignoriert und die Amazonen getreten hatten. Irgendwer hatte ihn hierhergebracht.
    Und unbehandelt liegen gelassen.
    Wut kochte in mir hoch. Wut, von der ich gar nicht gewusst hatte, dass sie in mir steckte.
    Vorsichtig legte ich dem Jungen die Hand auf die Schulter.
    Er öffnete mühsam die Augen. Im Schein des Deckenlichts schimmerten sie grün mit kleinen Goldsplittern. Ich war fasziniert.
    »Kümmert man sich nicht um dich?«, fragte ich leise.
    »Pff«, sagte er. »Why?«
    »Na ja, du siehst nicht gut aus.«
    »Ich lieg nicht auf der Straße, okay? Lass mich schlafen. In ein paar Stunden bin ich hier weg.«
    »Deine Wunden müssen versorgt werden.«
    »Ach ja?«
    Er drehte den Kopf zu mir, und ein Ächzen entrang sich ihm.
    »Ach ja!«
    Ich drückte mein Id fest auf meinen Puls. Das würde eine Horde Pflegerinnen auf den Plan rufen.
    »Du warst in den Nachrichten«, sagte ich zu ihm.
    »Ach ja? Toll, nicht?«
    »Ja. Wie heißt du?«
    »Was geht dich das an?«
    »Nichts. Aber ich rede Stars gerne mit Namen an.«
    Er grinste schief und stöhnte dabei. Seine Lippen mussten ihn schmerzen.
    »Sie nennen mich Reb.«
    »Reb wie Rebell. Passt, was?«
    Die Pflegerinnen trabten an. Ich drehte mich zu ihnen um.
    »Warum wird dieser Patient nicht behandelt?«, fragte ich die erste, die eintraf.
    »Gehört zu den Subcults, hat keinen Anspruch«, beschied sie mich kühl.
    »Ach ja?«, imitierte ich Rebs Tonfall.
    »Das wissen Sie doch, Junora Kyria. Gehen Sie von dem Mann weg. Er ist schmutzig und verseucht.«
    »Ein Grund mehr, ihn zu behandeln.«
    »Er wird umgehend entfernt. Bringt ihn raus«, befahl sie den beiden anderen.
    Ich stellte mich ihnen in den Weg.
    »Er bleibt und wird versorgt. Oder soll ich meine Mutter informieren?«
    Das bremste sie erst einmal.
    »Junora Kyria … «, begann die Nächste. Was immer sie einzuwenden hatte, blieb ungesagt, weil Dr. Martinez kam.
    »Junora Kyria, was ist vorgefallen?«
    »Ich wollte mir etwas Bewegung verschaffen und habe Reb hier im Gang gefunden. Man hat versäumt, ihn zu behandeln.«
    Dr. Martinez betrachtete das zerlumpte Wrack beiläufig. »Ein Freund von Ihnen, Junora Kyria?«
    »Ja.«
    Die Ärztin wandte sich an die Pflegerinnen: »Behandelt ihn entsprechend. OP drei fertigmachen.«
    »Sehr wohl, Dr. Martinez.«
    »Und anschließend eines der Einzelzimmer«, fügte ich hinzu. »Auf diesem Gang.«
    »Wie Sie wünschen, Junora Kyria.«
    »Ich wünsche. Und gehen Sie pfleglich mit Reb um.«
    Die Abneigung der drei, sich um ihn zu kümmern, war deutlich spürbar, aber sie würden sich wohl an die Regeln der medizinischen Fürsorge halten und dem Jungen nicht noch weitere Schmerzen zufügen. Ein KomLink piepste, der OP war freigegeben. Sie schoben die Trage an mir vorbei.
    Reb sah mich an, dann verzog er den Mund zu einem spöttischen Küsschen. »Danke, oh Herrin!«
    Ein komischer Kerl. Und woher wusste er, was mein Name bedeutete? Kyria war das griechische Wort für Herrin, und dankbar dafür war ich meiner Mutter nicht. Aber wenigstens hatte sie mich nicht Zarina genannt. Das war derzeit einer der beliebteren Namen bei den Electi.
    Reb war verschwunden, und Dr. Martinez fragte leise: »War das nötig, Junora Kyria?«
    »Er ist ein Mensch, oder?«
    »Er hat sein Schicksal selbst gewählt.«
    »Kann man das? Ich habe meines nicht gewählt. Werde ich deswegen ständig überwacht?«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Die Subcults besitzen keine Ids – keine Identität. Manchmal beneide ich sie. Man kann sie weder orten, noch können sie sich ausweisen. Sie haben sich der Überwachung entzogen. Ich hingegen habe eine privilegierte Identität und einen Gendefekt. Mir sitzt ständig jemand im Nacken. Es gibt Momente, Dr. Martinez, ja, da beneide ich die Ausgestoßenen.«
    Mich entsetzte selbst das Zischen in meiner Stimme.
    »Gehen Sie schlafen, Junora Kyria. Es ist nicht gut, mitten in der Nacht zu grübeln.«
    Nein, das war es nicht, und die Ärztin war eine freundliche und hilfsbereite Frau. Sie war nicht schuld an meiner mistigen Stimmung. Also legte ich die Hände zu einem respektvollen Gruß zusammen, verbeugte mich und ging wieder zu meinem Raum.
    Der Schlaf wollte noch immer nicht kommen, und darum ließ ich meine Gedanken wandern. Dieser junge Subcult hatte eine Wut in mir geweckt, die wahrscheinlich schon die
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