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Kuss im Morgenrot: Roman

Kuss im Morgenrot: Roman

Titel: Kuss im Morgenrot: Roman
Autoren: Lisa Kleypas
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fest.
    »Natürlich«, entgegnete Marks verärgert. »Warum sollte ich eine Brille tragen, wenn es gar nicht nötig wäre?«
    »Wer weiß. Vielleicht ein weiterer Bestandteil Ihrer Verkleidung.«
    »Meiner Verkleidung?«
    »Richtig, Marks, Verkleidung. Ein Substantiv. Es beschreibt ein Mittel zur Tarnung von jemandes Identität. Oft von Clowns und Spionen verwendet. Und seit Neuem auch von Gouvernanten. Guter Gott, kann denn in meiner Familie überhaupt nichts normal sein?«
    Marks blinzelte ihn an, ihr Blick war verschwommen. Einen Moment lang sah sie aus wie ein verängstigtes Kind, dessen Lieblingsdecke außerhalb seiner Reichweite war. Der Anblick versetzte ihm einen sonderbaren, schmerzhaften Stich ins Herz.
    »Ich werde Ihre Brille wiederfinden«, versprach er knapp. »Sie haben mein Wort. Wenn Sie wollen, können Sie schon einmal zum Haus zurückgehen, während ich hier weitersuche.«
    »Nein, danke. Wenn ich versuche, den Weg alleine zu finden, lande ich am Ende in der Scheune.«
    Als er im Gras etwas Metallenes aufblitzen sah, streckte er den Arm aus und umschloss mit der Hand die Brille. »Da ist sie.« Er kroch auf allen vieren zu Marks und kniete sich aufrecht vor sie hin. Nachdem er mit seinem Ärmel die Brillengläser poliert hatte, sagte er: »Halten Sie still.«
    »Geben Sie her.«
    »Überlassen Sie das mir, Sie … Sie verdammter Dickkopf. Sie brauchen wohl den Streit wie die Luft zum Atmen.«
    »Nein«, erwiderte sie prompt und errötete leicht. Dann stieß sie ein heiseres Lachen aus.
    »Es macht keinen Spaß, Sie zu quälen, wenn Sie es mir so leicht machen, Marks.« Er setzte ihr die Brille mit größter Vorsicht auf die Nase, fuhr mit den Fingern über die Seiten des Gestells und betrachtete prüfend das Ergebnis. Dann berührte er mit den Fingerspitzen die Bügel. »Die Brille ist nicht gut angepasst.« Vorsichtig strich er über die Oberkante ihres Ohrs. Sie war erstaunlich hübsch mit ihren grauen Augen, die in der Sonne blau und grün schimmerten. Wie ein Opal. »So kleine Ohren«, fuhr Leo fort und ließ die Hände einen Moment auf den Seiten ihres zierlichen Gesichts verweilen. »Kein Wunder, dass Ihre Brille so ohne Weiteres herunterfällt. Es gibt ja auch kaum etwas, wo man sie aufhängen könnte.«
    Marks starrte ihn verblüfft an.
    Wie zerbrechlich sie war, dachte er. Ihr Wille war so stark, ihr Temperament so kratzbürstig, dass er oft ganz vergaß, dass sie nur halb so groß war wie er. Eigentlich hatte er erwartet, dass sie sich sofort von seiner Berührung befreien würde, denn sie hasste es, angefasst zu werden, insbesondere von ihm. Stattdessen verharrte sie reglos. Er fuhr mit dem Daumen seitlich über die Kehle und spürte die winzige Erschütterung, als sie schluckte. Der Moment hatte etwas Unwirkliches, Traumähnliches. Er wünschte sich, er würde niemals enden.
    »Ist Catherine Ihr richtiger Name?«, fragte er noch einmal. »Werden Sie mir wenigstens diese eine Frage beantworten?«
    Sie zögerte, als hätte sie Angst, etwas von sich preiszugeben, und sei es nur dieses winzige Detail. Doch als seine Fingerspitzen über ihren Hals glitten, schien die Zärtlichkeit sie zu entwaffnen. Eine Hitze stieg ihr in die Wangen.
    »Ja«, stieß sie hervor. »Catherine.«
    Sie knieten noch immer gemeinsam am Boden, Marks’ Röcke hatten sich auf der Wiese ausgebreitet. Eine Schicht blumengemusterten Musselins war unter Leos Knie gefangen. Sein Körper reagierte heftig auf ihre Nähe, glühende Hitze kroch ihm unter die Haut und sammelte sich an ungünstigen Stellen. Seine Muskeln verkrampften sich, schwollen an. Er musste dieser Sache ein Ende setzen, sonst würde er etwas tun, das sie beide später bereuen würden.
    »Ich helfe Ihnen auf«, sagte Leo und erhob sich brüsk. »Wir gehen zum Haus zurück. Aber ich warne Sie, ich bin noch nicht fertig mit Ihnen. Es gibt noch mehr …«
    Er verstummte, denn in dem verzweifelten Versuch, wieder auf die Beine zu kommen, war Marks’ Körper mit seinem zusammengestoßen. Sie hielten inne, und Gesicht an Gesicht vereinte sich ihrer beider Atem in unregelmäßigen Stößen.
    Das traumähnliche Gefühl verstärkte sich. Sie verweilten in einem Sommergarten, die Luft schwer vom Duft des heißen zerdrückten Grases und scharlachroten Mohns … und Catherine Marks war in seinen Armen. Ihr Haar glänzte in der Sonne, ihre Haut war blütenblätterzart. Ihre Oberlippe war beinahe so voll wie die untere, ja, ihr Mund war so köstlich und weich wie eine
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