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Kuss im Morgenrot: Roman

Kuss im Morgenrot: Roman

Titel: Kuss im Morgenrot: Roman
Autoren: Lisa Kleypas
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rechtfertigten, würde er Rutledge zu Brei schlagen.
    Ihm gelang es, seinen Atem zu regulieren, während er die beiden beobachtete. Rutledge stand auf und ging zum Haus zurück. Und Marks blieb auf der Bank sitzen.
    Ohne dass er sich bewusst dazu entschlossen hatte, ging er langsam auf sie zu. Er war sich nicht sicher, wie er sich ihr gegenüber verhalten oder was er zu ihr sagen würde. Das hing ganz davon ab, welche Gefühlswallung in dem Moment, in dem er vor ihr stand, am stärksten zutage trat. Es war durchaus möglich, dass er ihr an die Gurgel springen würde. Gleichermaßen wahrscheinlich war es, dass er sie auf den sonnenwarmen Grasboden niederreißen und sie an Ort und Stelle nehmen würde. Er wurde von einem heißen, unerfreulichen Sturm von Gefühlen mitgerissen, der ihm völlig unbekannt war. War es Eifersucht? Gott, ja. Er war eifersüchtig, und das wegen eines mageren Hausdrachens, der ihn beschimpfte und an ihm herumnörgelte, wann immer sich die Gelegenheit dazu bot.
    War das eine neue Form von Verderbtheit? Hatte er vielleicht eine Art Alte-Jungfer-Fetisch entwickelt?
    Oder war es ihre Reserviertheit, die Leo so erotisch fand …? Er war schon immer von der Frage besessen gewesen, welcher Tricks es bedurfte, um sie aus der Reserve zu locken. Catherine Marks, seine gemeine Widersacherin, nackt und stöhnend unter ihm … Es gab nichts, das er sich mehr wünschte. Und das wiederum war nicht so sehr abwegig: Wenn eine Frau willig und leicht zu haben war, lag darin nicht die kleinste Herausforderung. Marks hingegen ins Bett zu kriegen und sie so lange zu quälen, bis sie um Gnade flehte … das wäre ein Spaß.
    Leo näherte sich ihr gewollt lässig. Ihm entging nicht, wie sie sich bei seinem Anblick verkrampfte. Ihr Ausdruck wurde hart, ihr Mund verbissen. Sie schien wenig erfreut zu sein. Leo malte sich aus, wie er ihren Kopf in beide Hände nahm und sie für einige lange, lustvolle Minuten küsste, bis sie erschöpft und keuchend in seinen Armen lag.
    Stattdessen stand er da, die Fäuste in den Manteltaschen geballt, und musterte sie ausdruckslos. »Was halten Sie davon, wenn Sie mir erklären würden, was das eben zu bedeuten hatte?«
    Die Sonne spiegelte sich in ihren Brillengläsern und verdunkelte einen Moment lang ihre Augen. »Sie haben mir nachspioniert, Mylord?«
    »Wohl kaum. Was interessiert es mich, was alte Jungfern in ihrer Freizeit tun? Aber wenn mein Schwager die Hauslehrerin küsst, und das am helllichten Tag und auf offener Flur, dann ist das sehr schwer zu übersehen.«
    Man musste Marks ihre Beherrschung hoch anrechnen. Bis auf das leichte Zucken der Hände in ihrem Schoß zeigte sie keinerlei Reaktion. »Es war ein Kuss«, sagte sie. »Auf die Stirn.«
    »Es tut nichts zur Sache, wie viele Küsse, und auch nicht, wo sie gelandet sind. Sie werden mir jetzt erklären, warum er Sie geküsst hat. Und vor allem, warum Sie es zugelassen haben. Und strengen Sie sich an, es glaubhaft zu machen, denn ich bin so nahe dran« – Leo gab mit Daumen und Zeigefinger einen Spielraum von einem knappen Zentimeter an – »Sie höchstpersönlich in die nächste Kutsche nach London zu setzen.«
    »Ach, gehen Sie doch zum Teufel!«, sagte sie mit gedämpfter Stimme und sprang auf die Füße. Sie kam nicht weiter als ein paar Schritte, bis er sie von hinten packte. »Rühren Sie mich nicht an!«
    Leo drehte sie zu sich herum. Seine Hände schlossen sich um ihre schlanken Oberarme. Durch den dünnen Musselin konnte er ihre warme Haut spüren. Der unschuldige Duft von Lavendelwasser stieg ihm in die Nase. An ihrem Halsansatz war ein Hauch von Talkumpuder zu erkennen. Der Geruch erinnerte Leo an ein frisch gemachtes Bett mit gestärkten Laken. Und oh, wie sehr er sich danach sehnte, in sie hineinzuschlüpfen!
    »Sie haben zu viele Geheimnisse, Marks. Seit über einem Jahr sind Sie mir mit Ihrer scharfen Zunge und Ihrer geheimnisvollen Vergangenheit ein Dorn im Auge. Jetzt sind Sie mir ein paar Antworten schuldig. Also: Was hatten Sie mit Harry Rutledge so Wichtiges zu besprechen?«
    Marks’ Miene verfinsterte sich, wobei sie die schmalen Brauen hob, die um einiges dunkler waren als ihr Haar. »Warum fragen Sie nicht ihn?«
    »Weil ich jetzt Sie frage.« Angesichts ihres hartnäckigen Schweigens beschloss Leo, sie ein wenig zu provozieren. »Wären Sie nicht so, wie Sie sind, hätte ich Sie im Verdacht, den Ehemann meiner Schwester mit Ihren Reizen locken zu wollen. Aber wir wissen ja beide, dass Sie
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