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Kurzschluss

Kurzschluss

Titel: Kurzschluss
Autoren: Gmeiner-Verlag
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die Ebene. In den mit Schilf bewachsenen Seen, die über ein Labyrinth von Bächen und Kanälen miteinander verbunden sind, tummelten sich in diesen frühen Sommertagen jede Menge Wasservögel und Amphibien. Wäre es nicht so kühl gewesen, hätten längst Kanufahrer die Seen bevölkert. So aber störten nicht mal Radler und Wanderer die unberührte Natur.
    Dass an diesem Freitagmorgen ein dunkler Geländewagen von einem dieser noch immer holprigen und schmalen Verbindungssträßchen in einen Forstweg einbog, hatte niemand bemerkt. Hier, zwischen Seewalde und Neu Drosedow, weit abseits der B 198, die Wesenberg mit Mirow verband, war zu dieser frühen Stunde ohnehin kein Mensch unterwegs. Und selbst wenn es einen Beobachter gegeben hätte, wäre das Fahrzeug nicht sonderlich aufgefallen. Es kam durchaus vor, dass ein Forstmann oder ein Angler in der Abenddämmerung oder, wie jetzt, in der Frische eines Sommermorgens diesen sandigen Weg befuhr.
    Der Geländewagen war kurz vor Seewalde nach links in den unbefestigten Weg eingebogen, vorbei an einer hölzernen Sitzgruppe, die Radler und Wanderer zum Rasten einlud. Rechts hinter dem sanften Wiesenhang waren die wenigen Dächer von Neu Drosedow zu sehen, das sich in die leichte Senke duckte. Der Fahrer hatte den Kragen seiner braunen Lederjacke hochgezogen und sich die olivgrüne Schildmütze bis zu den Augenbrauen über die Stirn gedrückt. Er gab nur mäßig Gas, damit der Motor lediglich bedächtig dröhnte.
    Wenige Kilometer später tauchten in diesem Morgengrau die Häuser von Neu Drosedow auf, einem idyllischen Weiler, der den Anschein erweckte, als seien nur noch einige wenige Bewohner in dieser Beschaulichkeit geblieben. Der Mann hinter dem Steuer vergewisserte sich mit flinken Augen, dass sich zu dieser frühen Stunde noch niemand im Freien aufhielt. Doch selbst wenn ihn jemand beobachtete, würde er keinen Argwohn erwecken – davon war er überzeugt. Er lehnte sich lässig in den Ledersitz zurück und folgte dem Weg, der ihn gleich wieder in den Wald hineinführte. Wäre ihm dies alles fremd gewesen, hätte er sich nicht in diese Einöde begeben, in der es keine Hinweisschilder gab und in der man nie wissen konnte, welches Aufsehen man erregen würde. Doch sein Geländewagen trug das Kennzeichen MST des heimischen Landkreises Mecklenburg-Strelitz. Niemandem würde er also verdächtig erscheinen. Jedenfalls beruhigte er sich damit, wenn seine innere Stimme ihn mahnte, Vorsicht walten zu lassen.
    Der Geländewagen holperte über die Unebenheiten, während der Motor nur sanft vor sich hinbrummte. Der Mann ließ die linke Seitenscheibe nach unten gleiten, stützte den Ellbogen leger auf, und sog die frische Waldluft ein, die sich bisweilen, je nach Luftströmung, mit den Dieselabgasen des Autos mischte. Das Zwitschern der Vögel übertönte nahezu vollständig die Motorengeräusche. Ein traumhafter Morgen, dachte er – ein Morgen voller Leben, voll neuer Energie. Nichts konnte die Natur in ihrem ewigen Drang nach Leben stoppen. Und wenn der Mensch eines Tages allzu heftig in diesen unablässigen Kreislauf eingriff, dann würde er diese Macht und Kraft zu spüren bekommen, dachte der Mann. Und mit einem Mal fing sein Herz an, schneller zu schlagen. Hatte er nicht selbst eingegriffen in diesen Kreislauf des Lebens? Noch ehe er weiter darüber nachgrübeln konnte, traf sein Blick die schmale Lichtung, die sich links in der dichten Baum- und Gebüschreihe auftat. Ihm war diese Stelle seit Jahren vertraut – ein beliebter Platz, von dem man die Wasserfläche des Peetschsees einsehen konnte. Ein paar Holzbänke und ein rustikaler Tisch, fest im Boden verankert, waren zum Verweilen gedacht, umgeben von drei kräftigen Eichen. Der Mann im Geländewagen blickte instinktiv in die Rückspiegel, doch weder von hinten noch von vorn näherten sich Fahrzeuge oder Personen. Er bremste, legte den Rückwärtsgang ein und rangierte den Wagen vorsichtig über den sanft zum See abfallenden sandigen Hang. Selbst wenn jetzt jemand vorbeikäme, würde der Mann keinen Argwohn erwecken. Es gab genügend Angler, die zu dieser frühen Zeit solche Lichtungen am See ansteuerten, die direkt vom Fahrweg aus zu erreichen waren. Außerdem würde er seine Angelrute bereitlegen, sodass nicht der geringste Zweifel daran aufkommen konnte, was er hier tat.
    Er öffnete die Heckklappe des Wagens und atmete schwer, als er die Ladung sah, die insbesondere aus einem prall gefüllten blauen Plastiksack
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