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Kurt Ostbahn - Kopfschuss

Kurt Ostbahn - Kopfschuss

Titel: Kurt Ostbahn - Kopfschuss
Autoren: Guenter Broedl
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hier oder auf dieser Welt, um jemanden umzubringen. Mein Name ist Ostbahn, Kurt Ostbahn, und ich komme aus der Reindorfgasse in Wien-Fünfhaus, wo ich im dritten Stock des Zwölferhauses eine generalsanierte Altbauwohnung (siehe: Kurt Ostbahn: Platzangst) bewohne, wenn ich nicht grad acht Monate im Jahr auf Tournee oder beim Ricky Gold in Ollersbach im Tonstudio bin.
    So schaut’s aus, würde ich sagen. Aber so sag ich gar nix und bemühe mich redlich, Emilios Ausführungen zu folgen. Ramon, das hab ich inzwischen begriffen, ist der Bösewicht, den der Zorn Gottes treffen soll. Senora Regina aber ist die gute Fee, die über Umwege und für viel Geld den Fachmann John Smith engagiert hat, der das Unaussprechliche in Gottes Namen erledigen wird.
    Emilio merkt offenbar an meinen Kummerfalten, dass mich das Thema anstrengt und ermüdet. Also wendet er sich, flankiert von noch einer Runde Spezial-Mezcal, meiner privaten, menschlichen Seite zu. Er legt seine breite Hand auf meine schmale Schulter und will wissen, ob ich denn auch eine gute Frau, viele gesunde Kinder und ein schönes Haus mein Eigen nenne.
    „No“, sage ich.
    „Das ist aber nicht gut“, erklärt mir Emilio. „Ein Mann braucht einen Hafen, in dem er sorglos vor Anker gehen kann, wenn er müde ist.“
    „Ich bin müde“, sage ich, „immer müde.“
    „Ich weiß“, sagt Emilio und lacht schon wieder. „Wie Robert Mitchum.“
    Dann bringt er mich durch den Hinterhof und über eine halsbrecherische Leiter zu meinem Zimmer im Obergeschoss. Es ist sein größtes und schönstes Zimmer, mit Blick auf das Gotteshaus und den Gottesacker. John Smith ist zum Töten hier. Und der braucht in Momenten des Zweifelns eventuell die Nähe des Herrn.
    „Super“, sage ich.
    Emilio hat wirklich an alles gedacht. Wobei mir der Agavenbrand seines Bruders, unter uns gesagt, näher steht als das baufällige Quartier Gottes am Ende der Straße.

3. WIEN-FÜNFHAUS

    „Verschwunden?“, fragt der Herr Josef.
    „Verschwunden“, sage ich. Bereits zum dritten Mal. Vielleicht liegt es an seiner noch nicht ganz auskurierten Mittelohrentzündung, dass mein Stammwirt heute alles mindestens dreimal hören will, ehe er zu einem Kommentar bereit ist. Oder aber die fortgeschrittene Stunde und das starke Breitbandantibiotikum, im Verein mit einer halben Flasche Fernet und mehreren größeren Bieren, haben die Sinne des Herrn Josef mehr getrübt als befürchtet. Er ist ja auch nimmer der Jüngste, wie man so sagt. Und für dreißig Jahre Nachtgeschäft kriegt man irgendwann die Rechnung präsentiert. Solche Sprüche hört man von ihm in letzter Zeit immer öfter.
    Das Cafe Rallye hatte vor mindestens zwei Stunden Sperrstunde. Der Wirt und sein treuester Gast aber halten eisern die Stellung. Der Herr Josef an seinem Stehplatz hinter der Budel und ich auf meinem Stammhocker an der Bar. Zwischen uns stehen ein voller Aschenbecher, zwei frisch gefüllte Gläser und die beinah leere Flasche Fernet. Der Herr Josef hat sie aufgemacht, nachdem die letzten Gäste - der Polifka-Rudl und studentische Laufkundschaft, die der Zufall ins Herz von Fünfhaus verschlagen haben muss, - endlich gegangen waren.
    „Verschwunden?“, fragt er ein hoffentlich letztes Mal und kippt seinen Magenbitter. Dann hustet er und raucht sich gleichzeitig eine Marlboro an. Ich kenne sonst niemanden, der das kann: bellend husten und sich sozusagen im selben Atemzug den Rauch einer roten Marlboro in die schwarzen Lungen ziehen.
    „Was heißt, er is verschwunden?“, beginnt er endlich mit seiner Einschätzung der Lage. „Kein Mensch verschwindet so mir nix, dir nix. Schon gar ned da bei uns. Und schon überhaupt ned der Herr Trainer. Der is doch bekanntermaßen die Verlässlichkeit in Person. Absolut frank. Aber das brauch ich Ihnen ja ned sagen!“
    „Tatsache is aber: Der Trainer is weg! Und zwar schon seit Samstag.“
    „Weg?“, sagt der Herr Josef. „Weg? Das is natürlich was ganz was andreas.“
    „Inwiefern?“
    „Weil man verschwindet, wenn man was ausgefressen hat, Herr Kurt. Dann verschwindet man von einem Tag auf den andern, und wenn man es geschickt anstellt, dann verschwindet man nicht allein, sondern nimmt zwanzig, fünfzig, hundert Millionen mit. Aus einer Parteikassa zum Beispiel, oder vom Firmenkonto. Startkapital für ein neues Leben in der Fremde. Sie wissen, Herr Kurt, ich war sieben Jahre in der Fremdenlegion, zuerst Marseille, dann Schwarzafrika, Kongo ...“
    „Ich weiß“, sage ich,
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