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Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Titel: Kurschatten: Ein Sylt-Krimi
Autoren: Gisa Pauly
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»Ist das denn erlaubt?«
    »Unsere Kommunalpolitiker drücken mal wieder ein Auge zu«, hatte Felix sich ereifert. »Und was meinst du, warum?« Er hatte eine Hand gewölbt, als erwartete er, dass ihm jemand etwas hineintat, und dann diskret hinter seinen Rücken geschoben.
    Carolin hatte gemerkt, dass ihre Großmutter nicht verstand. »Felix glaubt, dass sie geschmiert werden.«
    »Geschmiert?« Diese Vokabel war Mamma Carlotta genauso wenig vertraut wie ›Kommunalpolitiker‹ und ›Bürgerinitiative‹.
    Daraufhin hatte Felix seine dürftigen Italienischkenntnisse bemüht. »La corruzione! Corrompere qualcuno!«
    Nun verstand Mamma Carlotta. »Bestechung?«
    Wenn ihre Enkelkinder ein wenig aufmerksamer gewesen wären, hätten sie bemerkt, dass die Stimme ihrer Großmutter ohne jede Empörung war. In einer Italienerin erzeugte der Umstand der Korruption weit weniger Entrüstung als in einer Sylter Beamtenfamilie. Der Bürgermeister von Mamma Carlottas Dorf war durch Bestechung an sein Amt gekommen, seine Ehefrau sorgte mit den gleichen Mitteln dafür, dass die Polizei sie nicht wegen Falschparkens zur Rechenschaft zog, und warum die Tochter des reichsten Weinbauern bei jedem Krippenspiel die Maria spielen durfte, konnte sich auch jeder denken. Aber da der Bürgermeister seine Arbeit gut erledigte, seine Frau regelmäßig Spenden für Bedürftige des Dorfes sammelte und die Maria von keinem anderen Mädchen so inbrünstig gespielt worden wäre wie von der Tochter des Weinbauern, beschwerte sich niemand.
    »Matteuer-Immobilien macht so was nicht zum ersten Mal«, hatte sich Carolin leise zu Wort gemeldet. »Irgendeinen Grund muss es ja haben, dass diese Firma immer ihre Pläne durchsetzt.«
    »Ein Riesenhotel nach dem andern setzen sie in die Landschaft«, hatte Felix eingeworfen und seinen italienischen Vorfahren mit Lautstärke und temperamentvollen Gesten dabei alle Ehre gemacht. »Die kleinen, traditionsreichen Hotels, die den Syltern gehören, können da nicht mehr mithalten.«
    Diese Worte hatte Mamma Carlotta noch im Ohr, als sie vor dem großen Schild stehen blieb, auf dem der Name ›Matteuer-Immobilien‹ prangte. Auf dem riesigen Gelände, auf dem ein Gesundheitshaus entstehen sollte, stand ein flacher Container mit der Aufschrift ›Baubüro‹. Als sie näher herantrat, entdeckte sie auf einem Schild neben der Tür die Aufforderung, sich dort zu melden, falls es Interesse an der Anmietung von Räumen im neuen Gesundheitshaus gäbe. Sie öffnete den Reißverschluss ihrer Jacke, griff hinein und zog den Brief hervor, den Niccolò ihr mitgegeben hatte. Ein letztes Mal sah sie sich um, dann griff sie entschlossen nach der Türklinke.

D as Bistro nannte sich Sportlerklause und gehörte zu den Lokalitäten, die nur gemütlich sind, wenn sie voll besetzt sind. In der Sportlerklause gab es nur einen einzigen Tisch, an dem fünf Männer saßen, entsprechend kühl war die Atmosphäre in dem Bistro, das Ludo Thöneßen in seine Squashhalle integriert hatte. Das Interieur war nicht mehr zeitgemäß, die dunklen Bodenfliesen, die holzvertäfelten Decken und die rustikalen Möbel schlugen manchen potenziellen Gast schon an der Eingangstür in die Flucht.
    Erik und Sören nickten einen Gruß zu der fünfköpfigen Runde, die aus Wenningstedter Bürgern bestand, die jeder kannte. Der Inhaber eines Fahrradverleihs, ein Hotelier, der Betreiber einer kleinen Pension, der Besitzer mehrerer Ferienwohnungen und ein Angestellter der Kurverwaltung. Sie alle waren Mitglieder der Bürgerinitiative »Verraten und verkauft«, das wusste Erik, denn jeder von ihnen hatte schon den Versuch gemacht, auch den Kriminalhauptkommissar der Insel für diese Gemeinschaft zu gewinnen. Bisher vergeblich. Erik ließ sich nicht gern in wöchentliche Treffen, Jahreshauptversammlungen, Vorstandswahlen und Vereinsarbeit zwängen. Und mit dem leidenschaftlichen Engagement seiner Kinder war das Soll seiner Familie schließlich erfüllt.
    Hinter der Theke arbeitete Jacqueline Hansen, die ebenfalls jeder kannte. Sie war auf Sylt geboren und hatte während ihrer Schulzeit immer davon geredet, dass sie die Insel auf der Stelle verlassen würde, sobald sie ihren Abschluss in der Tasche habe. Soviel Erik wusste, hatte sie es aber lediglich in Husum vier Wochen ausgehalten und einen Job in München gar nicht erst angetreten. Nun war sie Mitte zwanzig, redete immer noch davon, woanders Karriere zu machen, und hatte den Job im Squashcenter nur angenommen,
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