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Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Titel: Kurschatten: Ein Sylt-Krimi
Autoren: Gisa Pauly
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kein Sport für Friesen. Besser, Sie gehen zum Boßeln.«
    »Na, hören Sie mal!«, begehrte Erik auf. »Sie sind doch auch Friese!«
    »Aber außerdem gut trainiert«, ergänzte Sören und sah seinen Chef nun sehr zufrieden an, als gefiele ihm der Gedanke, ihm haushoch überlegen zu sein. »Das hebt sich anscheinend auf.«
    »Langsam wie ein Friese und schnell wie ein englisches Vollblut?« Erik hob den Ball auf und ging zur Tür des Courts.
    »Das ergibt dann jemanden«, entgegnete Sören grinsend, »der rechtzeitig ausholt, wenn der Ball kommt.«
    Erik ging seinem Assistenten voran, an mehreren verwaisten Squash-Courts vorbei, in den düsteren Gang, der zu den Umkleideräumen führte. Still und verlassen lag er da, hinter den Türen regte sich nichts. »Ich glaube, ich mache lieber Krafttraining«, sagte Erik. »Oder ich versuch’s mal mit Nordic Walking.«
    Als er die Tür zur Umkleide geöffnet hatte, bemerkte er, dass Sören einige Meter hinter ihm stehen geblieben war. »Ludo Thöneßen muss anscheinend an allen Ecken und Enden sparen.« Sören wies zur Decke des Ganges, wo nur jede zweite Glühbirne brannte.
    »Kein Wunder«, meinte Erik und deutete zu den vielen Spinden in der Umkleide, von denen nur zwei abgeschlossen waren. Alle anderen standen ungenutzt offen. »Es ist mir ein Rätsel, wie Thöneßen zurechtkommt. Wir sind heute wohl seine einzigen Kunden.«
    Sören lauschte in den Gang hinein, bevor er die Tür der Umkleide schloss. »Im Bistro ist immerhin was los.«
    »Von den Einnahmen kann er nicht mal die Kosten decken.« Erik löste das Armband, an dem sein Spindschlüssel befestigt war. Während er gemächlich die Tür öffnete, zog Sören sich bereits das Shirt über den Kopf und bot seinem Chef damit mal wieder Gelegenheit, seinen muskulösen Körper zu bewundern. Auf den ersten Blick wirkte Sören wie ein durchschnittlicher Friese, phlegmatisch, behäbig und mit seinem runden Gesicht und den glänzenden roten Wangen sogar wie einer, dessen Dynamik nur für die notwendigsten Verrichtungen ausreichte. Aber wer das glaubte, täuschte sich. Zwar entsprach Sörens Temperament exakt dem Vorurteil, das sich bereits südlich von Hamburg breitmachte, körperlich und konditionell jedoch konnte er es mit jedem heißblütigen Torero aufnehmen. Das wusste Erik, trotzdem hatte er sich dazu überreden lassen, mit Sören einmal in der Woche Squash zu spielen. Dass er endlich Sport treiben wolle, behauptete er seit Jahren, und so war es schwierig gewesen, Sörens Drängen etwas entgegenzusetzen. Als er schließlich nachgegeben hatte, war er auf vernichtende Niederlagen gefasst gewesen, aber das größte Problem hatte er erst erkannt, nachdem er bereits das erste Mal haushoch verloren hatte: das gemeinsame Duschen. Mittlerweile hatte Erik ein Dutzend Mal mit Sören Squash gespielt, aber nach wie vor war er der Meinung, dass ein Vorgesetzter sich seinen Mitarbeitern nicht nackt zeigen sollte. Die Tatsache, dass er freundschaftliche oder gar väterliche Gefühle für Sören hegte, änderte nichts daran. Jedes Mal, wenn er ihm unter die Dusche folgte, würde er am liebsten das Handtuch vor seinen Unterkörper halten.
    Sören prustete unter der Dusche, als gäbe es erst für das Abspülen des Schweißes die entscheidenden Punkte, während Erik noch gemächlich Duschgel und Shampoo aus seiner Sporttasche kramte und schließlich, und zwar im allerletzten Moment, die Sporthose abstreifte.
    Sören spülte schon das Shampoo aus den Haaren, als Erik eine Dusche aufdrehte, aus der jedoch nur ein schwaches Rinnsal tropfte. »Die nächste hat nur kaltes Wasser«, sagte Sören und wies auf eine gegenüberliegende Dusche. »Ich glaube, die tut’s. Ludo Thöneßen hat anscheinend keine Kohle für Reparaturarbeiten.«
    Erik ließ das heiße Wasser auf seinen Körper prasseln und schloss die Augen. Er öffnete sie nicht, als er das Duschgel in die Handflächen laufen ließ und sich den Körper einschäumte. Was er fühlte, missfiel ihm außerordentlich. Die schwach ausgeprägte Muskulatur an den Oberarmen, der gut gepolsterte Rücken, die weiche, nachgiebige Kehrseite und sein Bauch, der sich dort gemütlich vorwölbte, wo Sören das Waschbrett hatte, auf das angeblich alle Frauen flogen. Während Erik sich die Haare wusch, die zum Glück nicht weniger dicht und voll waren als Sörens, tröstete er sich damit, dass sein Assistent erst Mitte zwanzig war, während er die vierzig schon überschritten hatte. Den Gedanken, dass er
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