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Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Kurschatten: Ein Sylt-Krimi

Titel: Kurschatten: Ein Sylt-Krimi
Autoren: Gisa Pauly
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hübsche Verkäuferin an der Fischtheke geworfen zu haben – aber das würde sie einfach ignorieren. Carolin und Felix würden sich in ihrem Verdacht bestätigt sehen, und niemand würde sich dann noch Gedanken darüber machen, warum sie für einen Einkauf bei Feinkost Meyer viermal so viel Zeit brauchte wie Erik oder die Kinder.
    Mamma Carlotta kaufte gern ein, vor allem auf Sylt. Daheim in Umbrien musste sie von einem Ende des Dorfes zum anderen laufen, bis sie bei dem Metzger angekommen war, dann in die Weinberge, wo der Gemüsebauer seinen Stand hatte, und schließlich zu dem kleinen Laden von Signora Criscito, die ihre fünf Quadratmeter Verkaufsfläche Supermercato nannte. Dort gab es alle anderen Lebensmittel, jedenfalls dann, wenn sie vorrätig waren. Da die Lagermöglichkeiten hinter dem winzigen Verkaufsraum begrenzt waren und Signora Criscito nur einmal in der Woche, nämlich mittwochs, zum Großmarkt fuhr, konnte man sich darauf allerdings nie verlassen. Wer Coniglio con le noci auf den Speiseplan gesetzt hatte und froh war, beim Metzger ein schlachtfrisches Kaninchen ergattert zu haben, dem konnte es passieren, dass Signora Criscito die letzten Walnüsse gerade an die Köchin der Familie di Lauro verkauft hatte, die ihr Walnussöl gern selbst herstellte.
    Bei Feinkost Meyer in Wenningstedt war dagegen alles anders. Noch nie war es vorgekommen, dass der Zucker ausgegangen war, weil eine Wenningstedter Hausfrau sich spontan entschlossen hatte, große Mengen Johannisbeergelee zu kochen. Und Mamma Carlotta hatte nie erlebt, dass der Filialleiter die Schultern zuckte und auf nächsten Mittwoch verwies, wenn am Donnerstag eine Pensionswirtin ein Dutzend Honiggläser auf einmal gekauft hatte. Nein, in diesem Laden war das Angebot stets komplett, es gab sogar Erdbeeren im Herbst und Basilikum im Winter.
    Nur eines war im Laden von Signora Criscito angenehmer: Dort hatte immer jemand Zeit, über das Wetter, die Nachbarn, die verschwundene Katze des Pfarrers und die merkwürdige Gewohnheit des Briefträgers zu reden, der jungen, hübschen Musiklehrerin die Post immer zuerst zu bringen. Für solche angenehmen Plaudereien war bei Feinkost Meyer leider nur selten Zeit. Die Kassiererinnen hatten viel zu tun, vor der Käse- und Fleischtheke stand man nie allein, und die Touristen, die bei Feinkost Meyer einkauften, drängten so eilig an die Kassen, als wäre ihr Urlaub ein dringendes Geschäft, das schnellstmöglich erledigt werden musste.
    Wo der Terp Wai auf den Buchholz-Stich stieß, stieg Mamma Carlotta vom Rad, um ihren Plan ein letztes Mal zu überdenken. Ihre Enkel würden sie eine Verräterin nennen, aber ihr Neffe verließ sich darauf, dass sie sich seiner Sache annahm. Wessen Interessen waren höher zu veranschlagen? Felix und Carolin hatten ein hohes Ziel, aber bei Niccolò ging es um die berufliche Existenz, die seine Frau ihm nach der Scheidung ruiniert hatte. Nach Mamma Carlottas Ankunft auf Sylt waren die Kinder glücklich gewesen, dass die Nonna sich an ihre Seite stellte und mit ihnen für die gute Sache kämpfen wollte. Sollte ihnen zu Ohren kommen, was sie Niccolò versprochen hatte, würden sie sehr enttäuscht sein von ihrer Großmutter. Eine schreckliche Vorstellung! Aber ihr Gewissen würde nicht weniger belastet sein, wenn sie nach Italien zurückkehrte, ohne das Versprechen eingelöst zu haben, das sie Niccolò gegeben hatte. Als er sie darum bat, konnte sie ja nicht ahnen, in welchen Konflikt sie geraten würde.

S ören hob den Arm, und Erik duckte sich erschrocken. Kurz darauf fuhr er unter einem Geräusch zusammen. Es war, als peitschte ein Schuss durch die Halle. Erik sah das Geschoss von der linken Wand auf die Rückwand prallen, dann flog es direkt auf ihn zu. Klein, rund, pechschwarz! Instinktiv hob er das rechte Bein, um seinen Unterkörper zu schützen, und nahm die Arme vors Gesicht. Im selben Moment spürte er den Schmerz auf seiner Brust. Er ärgerte sich über seine eigene Reaktion. Natürlich war es unsinnig gewesen, auf diese Weise den Ball abzuwehren, anstatt beherzt die Rückhand zu nutzen, um den Ball nach rechts abprallen zu lassen, wo er für Sören unerreichbar gewesen wäre.
    Sein Assistent sah ihn enttäuscht an. »So geht das nicht. Wenn Sie so eine Bangbüx sind, macht Squash keinen Spaß.«
    Erik seufzte niedergeschlagen. »Das geht mir sowieso alles viel zu schnell.«
    Sören warf ihm einen Blick zu, den Erik im Kommissariat niemals geduldet hätte. »Das ist wohl
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