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Kunstgriff

Kunstgriff

Titel: Kunstgriff
Autoren: Gmeiner-Verlag
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wie ihr das Bild als solches nichts bedeutete, jedenfalls nichts Gutes. Mit der Reise nach Kolumbien waren zu viele dunkle Erinnerungen verbunden, die niemanden etwas angingen.
    Lutz balancierte ein Tablett herein, setzte es auf dem Couchtisch ab und gruppierte die Tassen um eine Aktenmappe herum, die dort bereit lag.
    »Bitte, meine Liebe, setz dich erst einmal«, schnurrte Undine und wechselte einen vertraulichen Blick mit Lutz, der neben ihr auf dem Sofa Platz nahm.
    Norma sank in ein extravagantes weißes Sitzmöbel nieder. »Was soll diese Geheimniskrämerei? Ihr wollt doch nicht etwa heiraten?«
    Lutz erlaubte sich ein Schmunzeln.
    Undine überging den Scherz achtlos. »Ich bin bestohlen worden.«
    Abwartend nahm Norma einen Schluck des Kaffees, der aus einer mutmaßlich 1.000 Euro teuren Maschine stammte. Lutz, der seinen Kaffee stets stark und unverfälscht schwarz trank, erschien es sicher wie Frevel, das Getränk für Norma unter einer Portion Milchschaum zu verstecken.
    »Bedaure, ich kann jetzt keinen Auftrag annehmen. Ich fahre übermorgen in den Urlaub. Nach Florenz.«
    Lutz wich ihrem Blick aus und griff nach seiner Tasse.
    Undine zuckte zurück, ließ sich jedoch zu ein paar freundlichen Worten herab. »Wie wunderbar, ich liebe die Stadt. Und nach allem, was du durchgemacht hast mit diesem Prozess – das stand ja alles in der Zeitung – kann ich deinen Wunsch nachvollziehen. Trotzdem, wenn ich dich bitte, die Reise zu verschieben?«
    »Kommt nicht infrage! Danke für den Kaffee.«
    Sie wollte gehen. Lutz hielt sie zurück. »Bitte, Norma. Höre dir wenigstens an, worum es geht.«
    Zögernd nahm sie ihren Platz wieder ein. »Was ist gestohlen worden?«
    Undine zögerte mit der Antwort, bevor sie leise erklärte: »Der Jawlensky.«
    »Wie bitte? Doch nicht das ›Schweigende Rot‹?«
    Die Galeristin nickte betreten. Sie griff nach der Aktenmappe und überreichte Norma einen Fotoabzug. Selbst die einfache Kopie vermittelte eine Ahnung von der Wärme und inneren Kraft, die das Gemälde dem Betrachter schenkte, der Augen dafür besaß. Einmal hatte Norma das Original ansehen dürfen.
    »Gerahmt hat das Bild eine Größe von etwa 50 auf 40 Zentimeter«, erklärte Undine, als wollte sie etwas verkaufen. »Es ist in Öl auf Pappe gemalt.«
    »Ich dachte, es befinde sich so sicher wie die Kronjuwelen im Banktresor?«
    »Dort war es bis heute Vormittag«, räumte Undine kleinmütig ein. »Ich selbst habe den Jawlensky abholen und hier in die Wohnung bringen lassen. In den nächsten Tagen sollte er nach Basel verschickt werden.«
    »In die Kunsthalle, ich weiß. Lutz hat mir von der Ausstellung erzählt. Du hättest das Gemälde von einem Kunsttransporteur unmittelbar von der Bank in die Schweiz bringen lassen können. Was um alle Welt wolltest du mit dem Bild in der Wohnung?«
    Undine knetete in einer Geste der Verzweiflung die Hände. »Es anschauen! Hier bei mir. In einem würdigen Rahmen und nicht, wie sonst, in diesem tristen Tresorraum.«
    »Was ist das ›Schweigende Rot‹ auf dem Kunstmarkt wert?«
    Undine schluckte. »Du kannst von mindestens 400.000 Euro ausgehen. Trotzdem geht es mir primär nicht um das Geld. Dieses Bild hat meine Leidenschaft für die Kunst geweckt! Meine Großtante war Mitglied einer Fördergesellschaft, die Jawlensky unterstützte. Man zahlte einen monatlichen Betrag und bekam dafür günstig ein Bild. Das ›Schweigende Rot‹ war das Lieblingsbild meiner Großtante, und sie hat es mir kurz vor ihrem Tod geschenkt.«
    Norma stellte die Kaffeetasse zurück auf den Glastisch. »Wer hat den Jawlensky für dich abgeholt?«
    »Das war Marco, mein Assistent. Ein Student, netter Junge, er hilft stundenweise in der Galerie aus. Das Bild kann er unmöglich gestohlen haben. Er war in meiner Nähe, als es verschwand.«
    »Erzähle bitte der Reihe nach!«
    Undine nickte zahm. »Marco arbeitet montags immer von 10 bis 13.30 Uhr in der Galerie. Gegen 10.15 Uhr schickte ich ihn los, um das Bild zu holen. Nach einer halben Stunde kam er damit zurück. Das Bild steckte gut verpackt im Transportkoffer. Ich habe kurz hineingeschaut, um mich zu vergewissern, ob alles in Ordnung ist. Danach brachte ich den Koffer in mein Schlafzimmer. Am frühen Nachmittag ist das Licht dort perfekt.«
    »Du hast das Bild nicht ausgepackt?«
    »Das wollte ich später machen, in aller Ruhe. Vorher musste ich einige Telefonate führen und ging deshalb in mein Arbeitszimmer.«
    »Nicht zurück in die
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