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Kuess mich, und ich bin verloren

Kuess mich, und ich bin verloren

Titel: Kuess mich, und ich bin verloren
Autoren: Tessa Radley
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hatte Donald Tomlinson eben ein paar potenziellen Geldgebern eine Privatführung durch die Ausstellung gegeben.
    Clea hörte zu, was ihr Vater zu sagen hatte, dann verabschiedete sie sich knapp. Zu Harry meinte sie: „Dads Führung war erfolgreich. Er hat Zusagen für beträchtliche Spenden ergattert und möchte uns jetzt treffen.“
    „Du weichst mir aus.“ Harrys Griff auf ihren bloßen Schultern wurde fester. Nur zu deutlich wurde Clea sich bewusst, wie viel Haut das Oberteil ihres bodenlangen Abendkleids frei ließ. Es war nur ein kurzer Moment, dann entließ Harry sie aus seiner freundschaftlichen Berührung und lachte auf. „Eines Tages werde ich dich dazu bringen, mich zu heiraten. Und an dem Tag wirst du endlich erkennen, was dir all die Jahre entgangen ist.“
    Clea trat einen Schritt zurück, unbewusst ein wenig Abstand suchend. „Ach, Harry, leider ist dieser Witz schon längst nicht mehr lustig.“
    Sein amüsierter Gesichtsausdruck verschwand. „Ist der Gedanke, mich zu heiraten, für dich so unerträglich?“
    Als er sie mit seinem Hundeblick anschaute, fühlte sie sich ganz schuldig. Sie kannten sich von klein auf, ihre Väter waren immer eng befreundet gewesen. Harry hatte ihr immer den Bruder ersetzt, den sie selbst nie haben konnte. Warum sah er nicht ein, wie wichtig er ihr in dieser brüderlichen Rolle war? Aber eben nur in dieser und nicht als möglicher Ehemann.
    Sanft berührte sie den Ärmel seines maßgeschneiderten Smokings und sagte: „Ach Harry, du bist mein bester Freund, und ich mag dich wirklich sehr …“
    „Wenn mich nicht alles täuscht, kommt jetzt ein Aber .“
    Das Glitzern der Kristallleuchter über ihnen verlieh seinen Augen einen unnatürlichen Glanz. Er hatte recht, es gab ein Aber . Eines, das mächtig, groß, dunkel und unerträglich fern über ihr schwebte.
    Brand … die Liebe ihres Lebens. Niemand konnte sie ersetzen. Wie ein schwarzes Loch hatte sich die Trauer um Brand in ihre Seele gegraben, bis sie ihr jede Freude geraubt hatte. Sie vermisste ihn so unendlich.
    Clea verdrängte diese Gedanken, so gut es ging, und wandte sich wieder Harry zu. „Ich kann mir noch nicht vorstellen, wieder zu heiraten.“ Und sie zweifelte daran, ob es je anders sein würde.
    „Du glaubst doch nicht etwa, dass Brand noch lebt, oder?“
    Harrys Frage vertrieb die fieberhafte Unruhe, die Clea seit Monaten umtrieb. Plötzlich überwältigte sie der Schmerz, den sie so lange verdrängt hatte. Unendliche Müdigkeit überkam sie, und sie wünschte sich nur noch nach Hause, um sich alleine in ihrem weichen Bett zusammenzurollen, in dem Schlafzimmer, das sie und Brand einst geteilt hatten. Hilflos ergab sie sich dem allzu vertrauten Gefühl des Kummers.
    Cleas Hand glitt von Harrys Ärmel, und sie verschränkte die Arme vor der Brust. Mit dünner Stimme erklärte sie: „Jetzt ist die falsche Zeit, um darüber zu reden.“
    Ungerührt erwiderte Harry: „Clea, seit neun Monaten – seit Brand offiziell für tot erklärt wurde – weichst du jedem Gespräch über ihn aus.“
    Sie zuckte zusammen, als Harry sie an jenen verhängnisvollen Tag erinnerte.
    „Clea, du hast alles getan, um ihn wiederzufinden, und hast nie die Hoffnung aufgegeben, er könnte noch leben. Aber er ist tatsächlich tot, wahrscheinlich schon seit vier Jahren. Auch wenn du das nie wahrhaben wolltest. Du musst dich einfach damit abfinden!“
    „Ich weiß, dass er …“, ihre Stimme versagte, „… tot ist.“
    Verloren ließ sie die Schultern fallen, wodurch der weiche Satinstoff ihres Kleides – meerblau wie Brands Augen – schlaff an ihr herabhing. Obwohl es ein warmer Sommerabend war, zitterte sie plötzlich vor Kälte. Zum ersten Mal hatte sie es laut ausgesprochen: Brand war tot.
    Bis jetzt hatte sie stets an ihrer Hoffnung festgehalten – an einer Hoffnung, die tief in ihrem Herzen saß, an jenem geheimen Ort, zu dem bisher nur Brand vorgedrungen war. Während all der Monate, all der Jahre des Wartens hatte sie sich entschlossen geweigert, den letzten Funken dieser Hoffnung zu begraben – selbst als ihr Vater und ihre Freunde sie gedrängt hatten, sich der Realität nicht länger zu verschließen. Brand würde nicht mehr zurückkehren.
    Harry unterbrach ihre Gedanken. „Nun ja, es ist schon mal ein großer Schritt nach vorne, wenn du seinen Tod nicht länger leugnest.“
    „Harry …“
    „Natürlich, hinter dir liegt eine schwere Zeit, angefangen mit den Tagen damals, als er sich nicht bei dir
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