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Kreuzdame - Köln Krimi

Kreuzdame - Köln Krimi

Titel: Kreuzdame - Köln Krimi
Autoren: emons Verlag
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tatsächlich den Weg des Klinkenputzens gegangen, diese schwere Strecke am Anfang, wo du dir vorkommst wie ein Staubsaugerverkäufer oder ein Versicherungsvertreter.
    Wir hatten zusammengesessen, Karin und ich, letzten Sommer, auf unserer Terrasse mit Rotwein in den Gläsern, und währenddessen hatte sie viel von sich erzählt.
    »Es ist eine Gratwanderung zwischen Bescheidenheit und Größenwahn«, hatte sie gesagt, »du musst die Leute glauben machen, dass sie froh sein können, wenn du zu ihnen kommst und singst, und gleichzeitig hast du im Hinterkopf, dass gerade diese Veranstaltung dich weiterbringen wird.
    Mit dem Honorar ist es wie mit einer beginnenden Liebe. Du bist froh, wenn sich einer für dich und deine Kunst interessiert, und willst ihn nicht gleich verprellen, indem du sagst, dass er natürlich auch dafür bezahlen soll. Genauso wenig wie du einem Typen, den du kennenlernst, gleich sagst, dass du heiraten willst und Kinder haben möchtest und so weiter. Aber wenn du nicht sofort die ganzen Bohnen auf den Tisch legst, dann hast du nachher ziemlich schlechte Karten, denn wenn du aufgetreten bist und sie haben dir zugejubelt und einen Blumenstrauß überreicht und dich gelobt über den grünen Klee, dann bist du viel zu froh, um dann noch was von Geld zu sagen. Und schon spricht sich das rum, du bekommst das nächste Angebot, wieder ohne Gage, bis es dir zu viel wird und du schon beim ersten Gespräch deine Hausnummer nennst. Du glaubst nicht, wie schnell sich die Freundlichkeit verflüchtigt, immer nach demselben Muster: ›Ich muss das noch mal mit dem Vorstand besprechen‹, oder ›ich rufe Sie wieder an‹, was dann niemals geschieht, aber«, und da hatte sie das glückliche Lächeln der Erfolgreichen in die Augen gezaubert, »mittlerweile läuft es ganz gut, auch ohne große Akquise, und die Bezahlung ist gar nicht so schlecht.«
    Die Dämmerung kroch langsam zum Fenster herein, ich schaltete die Lichter an und räumte die Alben fort. Da lag plötzlich ein Foto vor mir auf dem Fußboden, ein Bild vom vergangenen Silvester. Wir alle an einem langen Tisch, Charlotte ins Gespräch vertieft mit Johannes. Hitzig hatten die beiden darüber diskutiert, was uns wirklich glücklich macht.
    »Glück? Das findest du nur in dir, niemals in Äußerlichkeiten wie Erfolg oder Beifall. Glück ist ein scheuer Engel, eine stille Gabe des Himmels, etwas, mit dem du behutsam umgehen musst.« Das hatte Charlotte gesagt.
    »Hola«, hatte Johannes gerufen, »das klingt ja wie Altersweisheit.«
    Charlotte hatte ihn sehr ernst angesehen und erwidert: »Vielleicht ist es das, jedenfalls sicher nicht der Hochmut der Jugend.«
    Im »Hyatt« hatten wir gefeiert, auf der Schäl Sick, auf der falschen, der rechten Seite des Rheins, und um zwölf hatten wir das Feuerwerk überm Rhein bejubelt und unseren Dom, der vom anderen Ufer herüberblickte, großartig, gelassen und still. Ein Jahr war zu Ende gegangen, ein Stück Leben, das verging und niemals wiederkehrte, und wieder einmal vor mir die unbekannte Strecke, auf der ich die ersten Schritte wagen würde, wie immer behutsam und darauf bedacht, nichts Falsches zu sagen, nichts Falsches zu denken und nichts Falsches zu tun.
    Plötzlich hatte Klaus vor mir gestanden, meine Hand genommen und mit mir getanzt. Er hielt mich sehr eng, oder auch an mir fest? Wir tanzten schweigend, ich mit geschlossenen Augen, der Musik und meinem Herzschlag lauschend, mich ganz dem Augenblick hingebend, da hatte Klaus plötzlich in mein Ohr geflüstert: »Na, Kleine, was willst du aus dem neuen Jahr machen, hast du schon Vorsätze gefasst, oder machst du so etwas nicht mehr?«
    Da hatte ich den Kopf zur Seite gedreht, ihn angelacht und gesagt: »Ich will mich noch einmal verlieben«, und Klaus hatte meine Hand an seinen Mund geführt und mir sehr tief in die Augen geschaut. Leider war in diesem Augenblick der letzte Ton verklungen, und er hatte ziemlich abrupt meine Finger und auch mich losgelassen, die Hände in die Hosentaschen gesteckt und war, wie erschöpft, auf den nächsten Stuhl gesunken, aber vielleicht hatten wir einfach zu viel getrunken.
    Trotzdem hatte ich in den ersten Wochen des neuen Jahres bei jedem Telefonklingeln Herzklopfen, aber als es auch im Karneval zwischen Schunkeln und Singen keinen Blick zwischen Klaus und mir mehr gegeben hatte, war ich wieder zurück in mein Schneckenhaus gekrochen.
    Die Zeit war stehen geblieben, nichts mehr wirklich wichtig, kein ungeputztes Fenster,
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