Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kreuzdame - Köln Krimi

Kreuzdame - Köln Krimi

Titel: Kreuzdame - Köln Krimi
Autoren: emons Verlag
Vom Netzwerk:
wieder klein und unbedeutend …
    Weißt du, Klaus, der verstand die Frauen, der war sensibel, ging auf jede ein, die zu ihm kam. Seine Einfühlsamkeit, die zeigte sich auch in seinen Operationen, mit denen er den Frauen ihre eigentliche Schönheit zurückgab oder sie noch schöner machte. Er wusste gleich beim ersten Mal, als ich zu ihm ging, was mich störte, er ging so behutsam mit mir um, so, dass ich mich ihm ganz anvertraute, ohne Furcht, ohne Sorge, und er hat es geschafft, guck mich an, niemand sieht, wie alt ich bin, vor allem nicht, wie viele Jahre mich trennen von den Jungs, die mit mir auf der Bühne stehen. Und jetzt ist er tot, Klaus, unser Klaus, einer, den diese Bilder so lebendig zeigen, so als könnte es nie anders sein.«
    Ich hörte schweigend zu, ohne sie zu unterbrechen.
    Karin schob das Album von sich und sprach weiter, wie zu sich selbst. »Es ist so furchtbar, einer von uns, einer, der mit uns jung war, der mit uns lachte, der zu uns gehörte, so nah war er, so stark, und jetzt soll er tot sein. Ich fasse das nicht. Er war so … so … ich weiß nicht, er war der Lebendigste von uns allen, und jetzt ist er der …«
    Toteste, dachte ich. »An was glaubst du?«, fragte ich leise. »Ich meine, hast du eine Religion, der du vertraust?«
    »Früher schon«, sagte Karin zögernd. »Ich bin immer in die Maiandachten gegangen, im Krieler Dom, das war so mystisch, das hat mich beeindruckt. Aber heute? Ich weiß nicht, der Kinderglaube ist futsch, und was anderes habe ich noch nicht gefunden.«
    »Aber wozu strengen wir uns denn an, wenn es nur für dieses kleine Stückchen Leben ist, die paar Jahre, und dann ist alles weg?«
    »Reicht ja vielleicht auch, danach kommen wieder andere, die auch ihre Lebenszeit haben.« Sie schwieg und blickte auf ihre Hände. Erst nach einiger Zeit sprach sie weiter. »Um ehrlich zu sein, eigentlich war ich mal in Klaus verliebt, und ich hätte was drum gegeben, wenn er mir gehört hätte. Aber dann musste es ja Anna sein, und ich frage mich bis heute: Warum ausgerechnet Anna?«
    »Weil sie schwanger war«, sagte ich, »von Klaus.«
    »Ja«, sagte Karin und schloss die Augen, »weil sie schwanger war.«
    Und dann nach einer kurzen Pause: »Wir müssten mal überlegen, wie die Beerdigung aussehen soll, ob wir als Freunde eine Anzeige aufgeben und überhaupt: Wer von seinen Frauen ist denn jetzt eigentlich die rechtmäßige Erbin? Anna? Oder Katharina? Und Timo? Meinst du, der weiß schon davon?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung«, sagte ich. »Ich spreche heute Abend mal mit Martin.«
    Karin stand auf. »Ich muss«, sagte sie.
    Ich brachte sie zur Tür, umarmte sie zum Abschied und ging nachdenklich ins Wohnzimmer zurück.
    Wenn es wirklich nichts mehr gab hinter dem Sterben, warum lebten wir so, als wäre unser Hiersein von elementarer Bedeutung für diese Welt?
    Charlotte hatte wenigstens Bilder, die an sie erinnerten und von denen vielleicht sogar das eine oder andere in Museen gehängt würde, und Karin hatte ihre CD s und die Plakate. Nur von mir blieb nichts.
    Du hast die Kinder, würde Martin sagen, mehr Weiterleben ist ja wohl kaum möglich, die Kinder und später deren Kinder werden mehr an dich erinnern als Gemälde oder Musikdateien.
    Und warum war Karin nicht so glücklich, wie ich gedacht hatte, trotz der Kinder, trotz Bühne und Applaus und einem Mann, den ich für den liebenswürdigsten unserer Freunde hielt? Warum fühlte selbst sie sich manchmal klein und unbedeutend? Sie war doch so stolz gewesen, damals, als sie trotz der Zwillinge ihr Musikstudium abgeschlossen hatte. Die Kinder hatte sie morgens zu ihren Eltern gebracht, von Brück nach Lindenthal, hatte dann Tag für Tag in der Hochschule für Musik in der Dagobertstraße die Vorlesungen besucht, Gesangsstunden genommen und Klavier geübt und abends die Kleinen wieder heimgeholt, so erzählte sie es später jedem, der sie nach ihrem Werdegang fragte. Und stets setzte sie hinzu: »Glauben Sie, das war eine harte Zeit, aber mit eisernem Willen und gutem Organisationstalent lässt sich manches regeln.«
    Zu ihrem ersten Konzert waren außer Charlotte, Anna und mir höchstens sechs oder sieben Leute gekommen. Wir hatten applaudiert und nach einer Zugabe gerufen, die sie nicht gab, die sie nie gab, wie sich später herausstellte. Danach hatten wir in der Tiefe eines Weinkellers auf ihre steile Karriere angestoßen, obwohl niemand so etwas wirklich für möglich hielt. Doch dann war Karin
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher