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Kreuzdame - Köln Krimi

Kreuzdame - Köln Krimi

Titel: Kreuzdame - Köln Krimi
Autoren: emons Verlag
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nächsten hetzte, ständig unter neuen Vorzeichen, mal Oberlandesgericht am Reichensperger Platz, mal Amtsgericht in der Luxemburger Straße oder Arbeitsgericht, mich erst neulich gefragt. »Hast du nicht vier Kinder großgezogen und ein sorgenfreies Leben an der Seite eines gut aussehenden Mediziners, um den ich dich noch immer beneide? Was willst du denn sonst noch?«
    »Eine Menge«, hatte ich gesagt und gewusst, dass sie mich nicht verstand, nicht verstehen konnte, sie, die von einer Liebschaft zur nächsten hüpfte, sich niemals binden wollte, die Freiheit genoss. Wir waren vom gleichen Punkt aus gestartet, aber nicht auf parallelen Wegen unterwegs.
    »Du solltest deinen Blickwinkel ändern«, hatte meine Schwester, schon auf dem Sprung, mir beim Hinausgehen über die Schulter zugeworfen, eine Bemerkung, in der ich doch noch unsere gleichen Gene erkannte und ihr zum Abschied zulächelte.
    Unser Haus war schweigsam geworden, so wie die Zeit, die geräuschlos verrann, morgens, mittags, abends, dreihundertfünfundsechzigmal, von der ersten Stunde am Neujahrsmorgen bis zur letzten am Silvesterabend, und mir war schnell klar gewesen, dass auch der heutige Tag trotz des zeitigen Erwachens unversehens zu weit fortgeschritten sein würde, um all jenes zu schaffen, was ich mir am letzten Abend in einer trügerischen Stunde des Tatendrangs vorgenommen hatte, als ich davon ausgegangen war, dass mich dieser Morgen endlich in ein besseres Fahrwasser führen würde, obwohl mich die Summe vergangener Tage längst anderes gelehrt haben sollte.
    Da hatte Martin bereits unter der Tür gestanden, mit dem wippenden Autoschlüssel in der Hand, und hatte noch wissen wollen, was es zum Dessert geben werde, nach der Gulaschsuppe und vor dem Doppelkopf-Spiel, und als ich »Käse« gesagt hatte, hatte er mich an diesem Morgen zum ersten Mal richtig angesehen.
    »Gulaschsuppe und danach Käse?«, hatte er erstaunt, ja enttäuscht wiederholt, und es hatte für einen Moment so ausgesehen, als wollte er noch etwas hinzufügen, er hatte kurz gezögert, sich dann aber schnell umgedreht und war zur Garage gegangen.
    Was hatte er erwartet? Zanderfilet, davor eine Hummersuppe und selbst geschlagene Zabaione hinterher? War ihm noch nicht aufgefallen, dass diese Zeiten endgültig vorbei waren, dass wir alle uns besonnen hatten zur Einfachheit, weg von den aufwendigen Menüs, mit denen wir uns im Laufe der Jahre gegenseitig zu übertrumpfen versucht hatten? Es hatte Tage gegeben, wo ich, am Küchenherd stehend, mit der rechten Hand den Kochlöffel durch Suppe oder Fond geführt hatte, während meine linke den Zwillingswagen hin und herschob, in der Hoffnung, dies und mein Summen würde den Schlaf meiner Kinder fördern, womöglich noch vor dem Eintreffen der Gäste, was selten gelungen war.
    Nun, wo ich mich in Ruhe mit exotischen Gerichten und kreativen Dekorationen befassen könnte, hatte sich eine neue Denkart breitgemacht, ein Gesundheits- und Schönheitsbedürfnis, dem jeder Klacks Sahne oder Butter zum Opfer gefallen war, zum Opfer der Hoffnung auf ein langes, gesundes Leben, obwohl wir doch tief in uns um die unwiderlegbare Plötzlichkeit wussten, die uns aus unserer Bahn schleudern konnte, gerade dann, wenn wir dachten, alles wäre im Lot und eingeschient und die Weichen gestellt.
    Dass Klaus tot war, wollte nicht in meinen Kopf und schon gar nicht in mein Herz. Auf dem Weg von Bayern zurück nach Köln irgendwo gegen die Leitplanke gedonnert, der Wagen hatte sich überschlagen, war auf die Gegenfahrbahn geraten und dort von einem Lkw auf der Überholspur gerammt worden. Er war sofort tot gewesen, so hatte es Charlotte erzählt, als sie sich etwas beruhigt hatte, so hätte sie es frühmorgens in den Nachrichten gehört, und so hörte ich es wenig später selbst im Radio. Warum? War er zu schnell gefahren? War ihm schlecht geworden? War ein Reifen geplatzt oder die Lenkung ruiniert? Was waren seine letzten Gedanken gewesen, hatte er geschrien oder war er schweigend hinübergeschwebt in das, was wir Ewigkeit nennen? Und an wen hatte er gedacht bei seinem letzten Atemzug, dem letzten Schlag seines Herzens?
    Klaus, der so viel erlebt und gesehen hatte, war tot. Nach dem Medizinstudium hatte er sich in die Kriegsgebiete der Welt begeben, hatte seine Kenntnisse in Krisenzonen und an Unglücksorten eingesetzt, hatte Brand- und Bombenopfer operiert, Haut transplantiert und Gesichter gerettet und Menschen damit oft wieder ein lebenswertes Dasein
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