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Krank für zwei

Krank für zwei

Titel: Krank für zwei
Autoren: Kathrin Heinrichs
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ausgestattet mit dunklen Eichenmöbeln. In der Mitte ein Schreibtisch, darauf ein Mann, der mit dem Oberkörper auf der Tischplatte zusammengesunken war. Er wandte uns den Rücken zu. Ich konnte nicht glauben, was ich da sah. In diesen Menschen war hineingeritzt worden. Anders konnte man das nicht erklären. Zwei Schnitte mußten in diesen Rücken hineingeritzt worden sein. Das Blut war verlaufen, die Form etwas unregelmäßig. Aber immer noch konnte man erkennen, was die Schnitte darstellen sollten. Ein Kreuz. Das war ein Kreuz. Ein rotes Kreuz auf einem weißen Kittel, der sich langsam mit Blut vollsog. Voller Entsetzen machte ich einen weiteren Schritt auf das Opfer zu. Sein Kopf schwamm in einer roten Lache. Ich erkannte den Mann trotzdem.
    Es war der Chefarzt. Dr. Peuler.
    Im selben Augenblick merkte ich, daß ich mich übergeben mußte. Ich fühlte mich krank, richtig krank. Im Grunde genommen – krank für zwei.

4
    Meine Operation wurde abgesagt. Das komplette Krankenhauspersonal war in heller Aufregung. Nur Notoperationen sollten durchgeführt werden. Dazu gehörte ich offensichtlich nicht. Mir selbst war es immer noch speiübel. Dr. Peulers starrer Blick, den er im Augenblick seines Todes angenommen hatte, geisterte in meinen Gedanken herum. Sein Kopf auf dem Schreibtisch, die Blutlache. Noch nie war mir bewußt gewesen, welch durchdringende Farbe Blut hat. Dieses Rot verfolgte mich. Und dann das Kreuz. Warum tat jemand so etwas? Warum ritzte jemand einem anderen solch ein Kreuz in den Rücken?
    Die erste Stunde lag ich praktisch reglos in meinem Bett. Draußen auf dem Flur war inzwischen die Hölle los. Stimmen, Schritte, Türenschlagen – die Polizei mußte mit einem Großaufgebot angerückt sein. Plötzlich kam mir in den Sinn, daß ich Alexa anrufen mußte. Sie durfte nicht hierherkommen, auf gar keinen Fall! Gott sei Dank erreichte ich sie sofort.
    »Bleib bitte zu Hause«, riet ich ihr. »Du kannst dir nicht vorstellen, was hier passiert ist!« Dann erzählte ich, daß ich soeben meinen Operateur tot aufgefunden hatte. Alexa war entsetzt. Ich versuchte daher, mich bei meinem Bericht auf das Nötigste zu beschränken. Die Sache mit dem Kreuz behielt ich für mich.
    Als ich den Hörer aufgelegt hatte, sank ich nachdenklich ins Kissen zurück. Schon wieder tauchte das Blut vor meinen Augen auf. Ich versuchte, es beiseite zu schieben. Dr. Peuler war tot. Ermordet offensichtlich. Ich durfte gar nicht darüber nachdenken, daß ich es schon wieder mit einem Mordfall zu tun bekam. Seitdem ich hier im Sauerland wohnte, drängte sich der Verdacht auf, daß ich nicht im Land der tausend Berge, sondern im Land der tausend Morde gelandet war. Dreimal schon hatte ich mit so einer Sache zu tun gehabt. Und jetzt lag Nummer vier nur wenige Zimmer weiter in seiner Blutlache. Dr. Peuler – der Chefarzt. Rein zufällig der Mediziner, der mich just in diesen Minuten eigentlich hätte operieren sollen. Als es klopfte, schreckte ich auf. Langsam öffnete sich die Tür einen Spalt.
    »Herr Jakobs?« Benno schob seinen Kopf durch den Türspalt. »Kann ich hereinkommen?«
    »Benno, natürlich.« Erleichtert lehnte ich mich ins Kissen zurück.
    Benno sah mitgenommen aus. Blaß, mit zerstrubbeltem Haar und rotgeränderten Augen.
    »Sie haben ihn gesehen, nicht wahr?«
    Ich schluckte. »Dr. Peuler. Ja, ich habe ihn gesehen. Er lag vornübergebeugt auf seinem Schreibtisch.«
    Benno ließ sich kraftlos auf den Besucherstuhl fallen. Dann schaute er mich durchdringend an. »Kann ich Ihnen was erzählen?«
    »Natürlich!«
    »Es ist vielleicht ungewöhnlich, wenn ich gerade Sie damit belemmere – ich meine jetzt, wo Sie gar nicht mehr mein Tutor sind. Früher habe ich Sie ja öfter schon mal mit meinen Problemen vollgelabert, vor allem als sich meine Eltern getrennt haben. Auf jeden Fall kann ich über diese Sache schlecht mit jemandem aus dem Krankenhaus reden, und als Sie mich gestern gefragt haben, auf welcher Station ich arbeite, da dachte ich –«
    »Schieß einfach los, Benno! Hat es etwas mit dem Krankenhaus zu tun?«
    »Ja, speziell mit dieser Station«, Benno sah mich mit großen Augen an, »hier ist irgendwas im Busch.«
    »Wie meinst du das?«
    »Mir ist vor einigen Wochen etwas Seltsames passiert.« Benno schien jetzt etwas leichter sprechen zu können. »Ich habe damals hier auf der Drei gearbeitet, das habe ich ja schon erzählt. Aber dann kam so ein Streßtag. Ich mußte überraschend im OP aushelfen –
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