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Krank für zwei

Krank für zwei

Titel: Krank für zwei
Autoren: Kathrin Heinrichs
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fest, daß wir vor einem Fahrstuhl angelangt waren. »Was machen Sie denn hier?« Neben meinem Bett stand jemand, der vor kurzem in einen Farbtopf gefallen sein mußte. Jedenfalls sahen seine gelb gefärbten Haare danach aus.
    »Benno?« Tatsächlich, er war’s. Leibhaftig stand er vor mir, mein ehemaliger Geschichtsschüler, immer noch gut an seinen ziemlich abstehenden Ohren zu erkennen. Benno war einer der ersten Schüler gewesen, die ich am Elisabeth-Gymnasium unterrichtet hatte. Ein pfiffiger Junge, der mir auf der Abiturfeier das Sie verboten hatte. »Ab jetzt ist Schluß mit der Oberstufensiezerei!« hatte er mir feierlich verkündet, und dann hatten er und seine Freunde drei Gläser Sekt hintereinander hinuntergekippt.
    »Sind Sie krank?« Benno zeigte auf das Bett.
    »Nein, nur auf einer Probefahrt.«
    »Herr Jakobs ist ein Scherzbold«, warf Gustav ein. »In Wirklichkeit ist er wegen Blinddarm hier. Hab’ ich sofort erkannt.«
    Bevor der Pfleger die Sache weiter ausfuhren konnte, kam ein Fahrstuhl an. Sowohl Benno als auch meine Sänftenführer wollten offensichtlich hinein.
    »Quetschst du dich dazu?« fragte Gustav, während er zusammen mit dem anderen Knaben mein Bett hineinschob. Alexa paßte mit ihrem Bauch gerade noch daneben, und auch Benno fand noch ein Eckchen.
    »Klar’ fahr ich mit. Ich muß auf die Fünf.«
    »Machst du hier eine Ausbildung?« wollte ich von Benno wissen.
    »Nee, Zivildienst.« Benno grinste.
    »Im Notfall nehmen wir sogar Leute mit Abitur«, quatschte Gustav dazwischen und gackerte über seinen Witz.
    »Auf welcher Station arbeitest du denn?«
    Benno runzelte die Stirn. »Eine Zeit lang war ich auf der Drei.«
    »Auf der Drei?« rief ich erfreut. »Dann sehen wir uns ja häufiger.«
    »Aber jetzt bin ich auf der Fünf eingesetzt.« Benno zog vielsagend die Augenbrauen hoch. Ich wollte gerade nachfragen, als plötzlich im Aufzug ein Piepen zu hören war. Der junge Mann, den Gustav eben als Läufer bezeichnet hatte, nestelte an seinem Gürtel herum. Dann zauberte er eine Art Mini-Handy hervor und nahm ein Gespräch an.
    »Sofort, ja«, sagte der Mann ins Handy hinein. Inzwischen hatte der Lift den dritten Stock erreicht. Die Tür öffnete sich lautlos.
    »Was Dringendes?« wollte Gustav wissen.
    »Ein Bett für die Eins. Da kommt gleich eine gesprungene Fruchtblase.«
    »Dann sieh zu, daß du loskommst. Das Bett kann auch Benno übernehmen, was Benno?«
    Benno grinste. Offensichtlich hatte er sich wieder gefangen. »Ich bin zwar nicht im Dienst«, unkte er, »aber für ehemalige Pauker mache ich eine Ausnahme.« Kurzerhand griff er zu und schob mein Bett nach draußen.
    Der angepiepste Bettenschieber blieb im Lift und winkte kurz, als sich die Aufzugtür schloß. »Mach bald Feierabend!« rief Gustav ihm nach. Der Kollege konnte es schon nicht mehr gehört haben.
    »Einer der wenigen Läufer, die richtig was tun«, erklärte Gustav wichtigtuerisch in unsere Richtung.
    »Was ist denn eigentlich ein Läufer?« fragte Alexa. Sie hatte ebenfalls genug von diesem Marathon-Insider- Gedöns.
    »Läufer gehören zum Hol- und Bringedienst«, erklärte Benno, während er per Knopfdruck eine Glastür zur Station öffnete. »Sie machen nichts anderes als Betten, Blutproben oder sonst was durchs Krankenhaus zu transportieren. Per Pieper werden sie von A nach B geschickt.«
    »Und warum machen das nicht die Schwestern und Pfleger?«
    »Zu teuer. Wenn man Pflegepersonal einsparen will, muß man für die Hilfsarbeiten Ungelernte einstellen. Deshalb geht in der Regel eine Schwester oder ein Pfleger zum Bettentransport und nimmt sich einen Läufer dazu.«
    Wie auf Kommando kam uns auf dem Gang plötzlich eine Schwester entgegen. Eine Schwester im doppelten Sinne. Kranken- und gleichzeitig Ordensschwester, wie an ihrer weißen Haube leicht zu erkennen war. Das Pankratius-Krankenhaus war von einem Schwesternorden geführt worden, bevor es in die Hände der Pfarrgemeinde übergegangen war. Offenbar arbeiteten aber immer noch einige Schwestern im Hause. Schon in der Notaufnahme war der Geist des Hauses nicht zu übersehen gewesen. Ein riesiges Kreuz hatte dort für einen nachhaltig katholischen Eindruck gesorgt.
    »Willkommen im Pankratius!« Die Stimme der Schwester war etwas gewöhnungsbedürftig. Wahrscheinlich ersparte sie der Klinik eine Lautsprecheranlage.
    »Schwester Berthildis, hiesige Stationsschwester«, murmelte Benno.
    »Na, was haben wir denn da alles auf einmal?« Schwester
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