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Krank für zwei

Krank für zwei

Titel: Krank für zwei
Autoren: Kathrin Heinrichs
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Dr. Peuler«, stellte Petras jetzt seinen Kollegen vor. »Er würde in Ihrem Fall morgen auch die Operation übernehmen.«
    »Eine laparoskopische OP«, sagte Peuler in meine Richtung, »das heißt, wir operieren nach dem Schlüssellochprinzip. Kleines Loch, große Wirkung.« Während Dr. Peuler sich im weiteren über die Genialität seiner Behandlungsmethode ausließ, machte ich mich mit dem Gedanken vertraut, die nächsten Tage im Pankratius-Krankenhaus zu verbringen. Dabei fiel mein Blick plötzlich auf Chefarztens Hände. Der Mann hatte riesige Pranken. Insgesamt war er gar nicht besonders groß gewachsen, aber seine Hände waren ein echtes Phänomen. Vielleicht war der Mann Chirurg geworden, weil er in Zeiten der Personaleinsparungen als einziger mit einer Hand die Bauchdecke aufhalten konnte, um mit der anderen zu operieren. Aber Quatsch. Dr. Peuler wollte ja ganz anders operieren. Große Hände, kleines Loch, wenig Schmerzen.
    »Ich schicke Ihnen dann gleich noch unseren Anästhesisten vorbei«, schloß Dr. Peuler seinen Vortrag. Hoffentlich hatte wenigstens Alexa hingebungsvoll gelauscht. »Alles Weitere macht der Kollege.« Peuler zwinkerte mir aus dunkelbraunen Augen zu und reichte mir seine Pranke. »Bis morgen dann.«
    Bis morgen dann! Erst im nachhinein bekamen seine Worte eine besondere Bedeutung. Noch hatte ich keinen Schimmer, daß ich Peuler zwar noch einmal sehen würde, allerdings in einem Zustand, den ich uns beiden lieber erspart hätte.
    »Ich geh dann jetzt rüber zur Gallenblase«, sagte der Chefarzt und ging zur Tür. Ich, Blinddarm, wollte noch etwas sagen, aber er, Skalpell, hatte bereits die Klinke in der Hand. Als er einen Schritt in den Flur machte, wäre er beinahe von einem Bett überfahren worden. Vielleicht wäre das eine glücklichere Tötungsart gewesen. Na ja, schwer zu entscheiden. Lenker des Bettes war natürlich Gustav, am anderen Ende hing noch ein zweiter Mann, ein schlaksiger Typ in meinem Alter, der Gustav eindeutig untergeordnet war.
    »Tach, Chef«, sagte Gustav. Aber Peuler grummelte nur etwas und war schon auf dem Weg zu anderen Organen. Gustav wandte sich jetzt an Dr. Petras. »Hier ist das Bett«, erklärte er, als könne irgend jemand das Ungetüm übersehen. »Es war sogar noch ein Läufer da. Gott sei Dank. Auf der Drei war nämlich mal wieder keiner frei.«
    Was war denn ein Läufer? Das hörte sich mehr nach Leichtathletikstadion als nach Klinikalltag an. Der Typ an Gustavs Seite sah allerdings nicht so aus, als sei er mal mit Ben Johnson um die Wette gesprintet. Er war eher der blasse, unsportliche Typ. Sicher war er als Junge immer als letzter in die Völkerballmannschaft gewählt worden.
    »Wenn wir Sie dann mal zum Einsteigen überreden dürften?« Pfleger Gustav schlug die Bettdecke zur Seite und strahlte mich aus seinem runden Gesicht auffordernd an.
    Ich dagegen warf einen verzweifelten Blick zu Alexa hinüber. »Aber ich kann doch laufen«, versuchte ich es. »Wirklich wahr. Meine Beine sind noch ganz in Ordnung. Es ist wirklich nicht nötig, daß Sie –« In dem Moment durchzuckte mich ein Schmerz. Ich hielt mir die Seite und krabbelte kleinmütig ins Bett.
    »Kostet auch nichts extra«, scherzte Gustav und steckte meine Schuhe ans Fußende. »So, Micha«, sprach er seinen stummen Schiebegenossen an, »dann mal ab dafür.«
    Als wir über den Gang fuhren, schloß ich die Augen. Allein dieser Geruch: Desinfektionsmittel, Medikamente, Küchengerüche und weniger appetitliche Bestandteile, die sich da zu einer ganz spezifischen Mischung zusammensetzten. Es war immer dasselbe: Sobald ich ein Krankenhaus betrat, überkam mich eine solche Beklommenheit, daß ich am liebsten sofort Reißaus genommen hätte. Leider war das im Moment nicht möglich. Ich hatte einen entzündeten Blinddarm. Und der mußte wohl oder übel raus.
    Ich erinnerte mich an einen Krankenhausaufenthalt in Köln. Eine Schnittwunde an der Hand, die ich in der Uniklinik hatte behandeln lassen. Ein Monstrum von einem Krankenhaus, in dem der Hinweis, sich in der Röntgenabteilung zu melden, einen ähnlichen Abenteuerwert hatte wie der Versuch, mit verbundenen Augen ein Maislabyrinth zu durchwandern. Jetzt wohnte ich im Sauerland, wo es in den vielen kleinen und mittelgroßen Städten auch nur kleine oder mittelgroße Kliniken gab. Aber wo man immerhin mit einem kleinen Schnitt eine mittelgroße Wirkung erzielen konnte: Blinddarm weg.
    »Herr Jakobs?« Ich riß die Augen auf und stellte
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