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Krank für zwei

Krank für zwei

Titel: Krank für zwei
Autoren: Kathrin Heinrichs
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vergessen, den Pudding zum Schluß.
    »Gegen sieben!« antwortete Alexa für mich.
    »Und noch etwas später«, murmelte ich. Schließlich hatte ich den Nudelauflauf in aller Ruhe zu Ende gegessen, nachdem Alexa aus dem Haus gegangen war.
    »Das ist schlecht«, warf der Arzt ein. »Eine sofortige Operation ist in diesem Fall nicht ratsam. Glücklicherweise sind Ihre Entzündungswerte nicht so hoch, daß man auf einer Not-OP bestehen müßte.«
    Der Arzt streckte seinen sehnigen Körper und warf noch mal einen Blick auf meine Blutwerte. Der Mann hatte eine olivbraune Haut, einen feingliedrigen, schlanken Körper und schwarzes dünnes Haar. Ein Südamerikaner wahrscheinlich. Auf jeden Fall sprach er perfektes Deutsch.
    »Ich schlage vor, wir bringen Sie zunächst mal auf die Station. Dort warten wir bis morgen ab. Natürlich bekommen Sie ein Mittel gegen die Schmerzen, und etwas Entzündungshemmendes sollten Sie auch nehmen. Morgen sehen wir dann weiter.«
    Gustav nickte zustimmend. Man konnte annehmen, daß er mit der Vorgehensweise einverstanden war.
    »Das geht nicht«, warf ich ein. Der Arzt blickte erstaunt hoch. Gustav stemmte entrüstet die Arme in die Hüften.
    »Meine Frau ist hochschwanger. Außerdem erwarten mich meine Schüler, die Zwölf schreibt morgen eine Klausur.«
    Der Mediziner sah mich an, als sei ich von allen guten Geistern verlassen. Ein übereifriger Lehrer war offensichtlich das letzte, was ihm in diesem Dienst noch fehlte. Jedenfalls klang seine Stimme, als habe er just in diesem Augenblick entschieden, aus Deutschland auszuwandern. »Die Klausur wird ohne Sie stattfinden müssen. Mit einem akuten Bauch können wir Sie nicht nach Hause schicken. Das ist Ihnen doch wohl klar, oder?«
    »Schon!« Ich wurde etwas kleinlauter. »Ich bin auch durchaus bereit, mich operieren zu lassen. Aber vielleicht muß das ja nicht unbedingt morgen früh sein. Morgen Nachmittag würde mir viel besser passen.« Alexa neben mir starb tausend Tode. Schon im Auto hatte sie wieder darauf herumgeritten, daß Lehrer nicht eben zu den beliebtesten Patienten der Ärzteschaft gehörten – wenn man von ihrer Privatversicherung einmal absah.
    »Er steht unter Schock«, sagte meine Gattin wie selbstverständlich. »Ich schlage vor, wir gehen jetzt auf die Station.«
    So lief das also. Kaum war man malad, schon wurde man entmündigt. Gerade verheiratet, entschied die liebende Ehefrau. Na ja, vielleicht durfte ich wenigstens, wenn die Dinge schlechter liefen, noch einen Vorschlag für meinen eigenen Grabspruch einbringen. Da mich just in diesem Moment ein heftiger Schmerz durchzuckte, konnte ich den Gedanken leider nicht fortsetzen.
    Der Arzt, der Dr. Petras hieß, wandte sich jetzt an Pfleger Gustav: »Informieren Sie mal eben die Drei?«
    »Einmal die Drei«, singsangte Gustav lautstark und verließ das Zimmer. Der Mann hatte Freude an seiner Arbeit, das war nicht zu übersehen. Dr. Petras wandte sich jetzt wieder an mich.
    »Herr Jakobs, früher oder später muß die Sache ohnehin gemacht werden. Wenn Sie den Blinddarm jetzt aufschieben, könnte er zu einem viel ungünstigeren Zeitpunkt akut werden.« Dr. Petras blinzelte in Alexas Richtung, vielmehr in Richtung ihres Bauches, wurde aber unterbrochen, als plötzlich die Tür aufging. Ein Herr um die Sechzig schaute um die Ecke. »Haben wir hier die Gallenkolik?«
    Dr. Petras stand sofort auf. »So spät noch unterwegs?« fragte er jovial. »Nein, die Gallenkolik muß woanders liegen. Dies ist ein Blinddarm. Könnte morgen anfallen.«
    Aha, ich war also ein Blinddarm. Ganz neues Ich-Gefühl. Immerhin war ich als Blinddarm so interessant, daß der Eindringling einen weiteren Schritt zu uns in den Behandlungsraum kam. Er trug keine weißen Sachen, sondern elegante Freizeitkleidung und hatte einen Sommerblazer über dem Arm. Offensichtlich war der Mann zum Dienst gerufen worden.
    »Herr Jakobs möchte morgen nicht operiert werden, weil er noch eine Klausur beaufsichtigen muß«, petzte Dr. Petras. Falls er dabei grinsen mußte, konnte er sich das gut verkneifen.
    »Wie sind denn die Werte?« Der Ältere ging zu Petras und blickte über die Zahlen in meiner Karteikarte.
    »Temperaturdifferenz? Druckschmerz?« Petras nickte.
    »Hierbleiben müssen Sie auf jeden Fall«, erklärte der zweite Arzt dann. »An einer akuten Appendizitis sind schon andere gestorben.«
    Eine reizende Einführung. Ich bedankte mich mit einem Lächeln.
    »Das ist übrigens unser Chefarzt
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