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Kräuter-Code: Zehn Kurzgeschichten aus dem schwulen Leben (German Edition)

Kräuter-Code: Zehn Kurzgeschichten aus dem schwulen Leben (German Edition)

Titel: Kräuter-Code: Zehn Kurzgeschichten aus dem schwulen Leben (German Edition)
Autoren: Raik Thorstad , Jannis Plastargias , C. Dewi , Gerry Stratmann
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vor? Arbeiten Sie für eine deutsche Firma?“
    „Nein.“ Er schiebt seine Hände in die Hosentaschen, scheint nach den richtigen Worten zu suchen. „Ich wollte weg aus Deutschland, und ein alter Schulfreund von mir hat
dieses Hostel … ich kann dort arbeiten …“
    „Was haben Sie in Deutschland gemacht?“
    „Ich bin Koch, naja, fast zumindest. Ich habe meine Ausbildung geschmissen. Ziemlich bescheuert, kurz vor dem Abschluss. Die vergangenen Jahre habe ich mich mit Aushilfsjobs
durchgeschlagen.“ Er zuckt mit den Schultern, sieht mich an, als würde er sich schämen.
    Ich kann damit nicht umgehen. Er soll mir keine Seite zeigen, die nicht zum Bild des erfolgreichen Ausländers passt. Denn bis auf die Peruaner und die Bolivianer, allesamt arme Schweine,
sind Ausländer vor allem das: erfolgreich. Zumindest sehen sie danach aus, und ich vermute, wer in Chile keinen Erfolg hat, der verschwindet einfach wieder. Ich brumme etwas
Unverständliches, das er, wenn er möchte, als Anteilnahme deuten kann.
    Wir betreten die Halle, in der Werkzeuge gelagert werden und in der die Aufenthaltsräume der Kontrolleure sind. Drei Zwinger beherbergen tagsüber die Spürhunde. Wir werden mit
lautem Gebell empfangen; Chimichurri, einer der dienstältesten Hunde, schlägt an.
    „Ja, Alte, beruhig dich wieder.“
    Ich gehe zum Zwinger und halte meine Hand an den Maschendraht. Es riecht etwas streng; als ich noch hier gearbeitet habe, ist mir das irgendwann nicht mehr aufgefallen. Chimichurri fiept freudig
und leckt mir über den Handrücken. Bis vor drei Jahren waren die Golden Retriever-Dame und ich ein Team, aber nun hat Pavel meine Rolle übernommen.
    Vom Gebell des Hundes aufgeschreckt, kommt er aus dem Aufenthaltsraum. Eine Wolke aus Zigarettenqualm umgibt ihn. Interessiert mustert er den Gringo an meiner Seite. Ich erläutere ihm den
Sachverhalt. Wir haben Glück, dass einer der Hunde nicht bei der Ladung der „
Chinese Dream
“ eingesetzt wird. Damit können wir die Untersuchung von Romeros Container
deutlich beschleunigen. Pavel wirkt allerdings alles andere als begeistert, bei seiner Pause gestört zu werden. Mir gefällt der abschätzige Blick nicht, mit dem er zwischen Romero
und mir hin und her sieht. Ja, es ist ungewöhnlich, dass ich hier draußen bin, und dann auch noch wegen solch einer Lappalie. Als ich anbiete, Chimichurri bei der Untersuchung selbst zu
führen, sodass Pavel seine Pause nicht unterbrechen muss, bessert sich seine Laune sichtlich.
     
    Bepackt mit den Unterlagen, der Ausrüstung des Hundes, einer Taschenlampe, dem Bolzenschneider und begleitet von einer freudig hechelnden Chimichurri machen wir uns auf den Weg zum
Container. Er steht etwas abseits, der Rest der Ladung der
Celtic Star
wurde größtenteils schon auf LKWs abtransportiert.
    Als ich Romero wortlos die Mappe mit den Dokumenten in die Hand drücke, streifen sich unsere Finger. Nervös ziehe ich meine Hand zurück. Er ist zu nah. Ich sehe hoch, mitten in
seine Augen. Gerade jetzt erscheint ein Kranz aus Lachfältchen um sie herum. Romero ist ganz anders als Nahuel, anders als alle Männer. Ich verstehe nicht, warum er mich so aus der
Fassung bringt. Ich stehe nicht auf Exotik. Ich muss mich nicht darüber profilieren, dass ich mit einem Gringo … Ich dränge die Bilder, die mein Hirn fluten, rigoros
zurück.
    Nicht hier
.
    Chimichurri an meiner Seite winselt ungeduldig und scharrt an der Tür des Containers. Manchmal bin ich meiner alten Partnerin einfach nur dankbar. Ich setze den Bolzenschneider an und
durchbreche die Versieglung. Mit einem lauten Klirren schlägt der Bolzen auf dem Asphalt auf. Vorsichtig öffne ich die Türen. Ein Gewirr von Kartons und Möbeln stapelt sich
übereinander – typisch für private Umzüge. Es ist ein kleiner 20-Fuß-Container, und nicht einmal dieser ist zur Gänze gefüllt. Chimichurri bellt freudig,
als ich die Leine löse. Agil klettert sie über die Kartons, findet Lücken und pirscht sich hindurch. Romero gibt mir die Dokumentenmappe zurück, und ich achte darauf, ihn nicht
zu berühren.
    „Hast du die Ladung selbst gestaut?“, frage ich ihn und bin mir sehr bewusst, dass ich nun auch zum Du übergegangen bin. Das Wissen um diesen kleinen Grenzübertritt
beschert mir ein flaues Gefühl.
    „Sicher, alles andere hätte ich mir nicht leisten können. Ich hoffe nur, meine Möbel sind in den sieben Wochen auf See nicht zu Sägemehl zerrieben worden.“
    Er grinst schief.
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