Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kopernikus 7

Kopernikus 7

Titel: Kopernikus 7
Autoren: H. J. Alpers
Vom Netzwerk:
zu erkennen, obwohl vierzig Jahre verstrichen waren, seit wir hier Kolonisten abgesetzt hatten. Und selbst nach dieser einen mußten wir lange mit Infrarotgeräten suchen, ehe wir sie optisch wahrnehmen konnten, denn – und das war noch bestürzender – sie lag abwehrend mitten im Herzen des größten Kontinents, fast so, als hätten die Siedler befürchtet, raubgierige Ungeheuer könnten aus der See kriechen und lange, sich windende Tentakel ins Landesinnere erstrecken!
    Als die Kolonie vor vierzig Jahren gegründet worden war acht Jahre nach unserem Schiffskalender –, hatte man sie am Ufer eines ruhigen und fruchtbaren Ozeans errichtet. Wir erwarteten, bei unserer Rückkehr einen geschäftigen Hafen vorzufinden, mit Seeverbindungen über die Inselketten zu den kleineren Kontinenten und eine etwas langsamere Erschließung des weiten, öden Inlandes – ein vorsichtiges Ausstrecken von Fühlern nach den Eingeborenen, ohne sie zu stören. Statt dessen hatte sich die Kolonie ins Landesinnere verkrochen – so weit ins Landesinnere, wie es nur möglich war.
    Und doch konnten sie kaum Sturmfluten befürchtet haben, denn diese Welt wies merkwürdigerweise keine seismischen Phänomene auf: keinerlei Gebirge und Senkungen, eine Welt von sanftem Grasland, wo die geringste Erhebung eines Hügelchens schon ein Orientierungspunkt darstellte; auch keine Gezeiten, da nur zwei winzige Monde vorhanden waren, ein jeder kaum größer als unser Raumschiff.
    „Verkrochen ist das richtige Wort“, bemerkte ich zu Commander Marinetti, als wir endlich per Teleskop die einzige Ortschaft zu sehen bekamen – während Resnick vergeblich versuchte, eine Art Funkkontakt mit den Siedlern herzustellen. „Sie müssen alles per Hand dorthin geschleppt haben!“
    Die Kriechbewegung steckte auch noch in dem fertigen Produkt. Verschiedene Mini-Vororte schienen sich auf den gleichen Punkt in der Ortsmitte hin zu erstrecken, wobei sie sich so nahe wie möglich an den Boden kauerten und Formen wie Pyramiden oder Hochbauten als Konstruktionsmöglichkeiten völlig verwarfen. Niedrige, flache Gebäude drängten sich – anscheinend hergestellt aus den Fertigbauteilen der einstmals adretten Hafenstadt – in tohuwabohuhaften Haufen wie ein runder Teller voll dicht aufeinander sitzender, überlappender belegter Brötchen. Das konzentrische Chaos wies keinerlei Verbindung zu dem ordentlichen Straßennetz und den breiten Alleen der Küstenstadt auf, bei deren Bau wir ihnen behilflich gewesen waren.
    „Es handelt sich doch wohl um eine Menschenstadt?“ überlegte Marinetti. „Ich nehme nicht an, daß die Einheimischen unsere Kolonisten verdrängt haben?“
    Kaum. Die Ureinwohner waren ein scheuer und ängstlicher Haufen gewesen. Sie lösten sich in den kleinsten Senken der Graslandschaften auf, verbargen sich fast hinter den Halmen, als wir versuchten, mit ihnen in Kontakt zu treten. Wir bekamen sie niemals richtig zu Gesicht, wie lange wir auch über das Festland flogen. Nur Spuren, Fußabdrücke, das gelegentliche Davonhuschen einer geisterhaften Gestalt im Augenwinkel, die verschwunden war, bis man sich nach ihr umgewandt hatte. Schwer, sie zu beschreiben. Todgeweihte Geister. Flatternde Elfen. Koboldhafte, „menschliche“ Libellen. Jede dieser Beschreibungen traf zu und gleichzeitig alle zusammen. Sie wirkten insektenhaft mit ihren (scheinbar) vielfacettierten Augen, fluguntüchtigen, zart geflügelten, dünnen Armen, Wespentaillen, mageren, quergestreiften pelzigen Beinen – eine provisorische Beschreibung, mit viel Mühe und fast nur mit Blicken aus den Augenwinkeln zusammengetragen! Automatische Kameras schossen unablässig vergeudete Bilder von ihnen, gerade in dem Augenblick, wenn der Betreffende die Szene betrat, oder genau dann, wenn er/sie/es aus der Reichweite der Linse verschwand.
    Die Eingeborenen schienen der Natur näher zu sein als der Zivilisation; immer noch auf einer Stufe des Präkogniszens. Sie machten (irgendwie) Feuer. Wir fanden die verkohlten Feuerstellen. Sie kochten kleine Wildtiere und Vögel, welche sie (irgendwie) fingen. Wir fanden die säuberlich abgelutschten Knochen, jedoch keine Fallen oder Netze, lediglich ein paar Stücke aus Gras gewundenem Seil. Natürlich keine Pfeile, Bögen und Speere, wohl aber mit Dornen besetzte Stöcke. Doch nach genauer Erwägung kamen wir zu dem Schluß, daß sie nicht so weit entwickelt waren, daß wir ihre zurückgezogene, ausweichende Lebensweise im Innern ihres Kontinents stören
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher