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Kommissar Pascha

Kommissar Pascha

Titel: Kommissar Pascha
Autoren: Su Turhan
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alles verwahrte, was man als Frau und Polizistin brauchte oder brauchen könnte. In dem Moment flog die Bürotür auf. Zeki Demirbilek stand plötzlich vor ihr. Vierkant war vollkommen durcheinander, ihn im Sakko zu sehen. Sie vergaß, aufzustehen und zu grüßen.
    Demirbilek registrierte, dass sie nicht in Uniform war. Clever, fand er. Jeans, modern, vermutlich neu erworben, adrette Jacke, Kunstleder, beige, darunter trug sie eine helle Bluse, der weiße BH schimmerte leicht durch den Stoff. Sexy. Sie nahm die Bewerbung ernst. Gefällt mir, urteilte er.
    »Gehen Sie ans Telefon, wenn es klingelt. Rufen Sie an, wenn es eine Leiche gibt. Sonst nicht. Jetzt suchen Sie sich einen Schreibtisch und warten auf mich. Der hintere Raum ist meiner.«
    »Aber, aber …«, stotterte Vierkant. »Heißt das, ich habe die Stelle?«
    »Das weiß ich noch nicht. Nur, wenn ich in zwei Stunden keinen
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auf dem Schreibtisch habe, denke ich noch mal darüber nach, ob Sie als Bewerberin überhaupt in Frage kommen«, lächelte er und eilte den Gang entlang. Er würde ein Taxi nehmen müssen. Er war spät dran.

[home]
    5
    A n dem heißen Freitagvormittag herrschte im Englischen Garten Hochbetrieb. Joggende Hundebesitzer fluchten über rasende Fahrradfahrer, nackte Sonnenanbeter verscheuchten blutdürstige Mücken, und einheimische Gäste an den Biertischen am Chinesischen Turm beschwerten sich über schlecht eingeschenkte Maßkrüge.
    Die Sonne strahlte auch auf etwa hundert Neugierige aus aller Welt, die in der Prinzregentenstraße die Stadtsurfer beobachteten. Der Eisbach schoss unter der vielbefahrenen Straßenbrücke hindurch. Das Wasser brach sich direkt unter dem Brückengeländer an Steinen und Erhebungen im Bachbett und sorgte für spektakuläre Wellen.
    »Du musst direkt rein. Brett werfen, draufspringen. Nicht lange zögern! Pass auf, wie ich es mache, okay?«, schrie eine junge Blondine ihrem braungebrannten Begleiter zu.
    Die Zuschauer warteten gebannt, sie ahnten, dass der Mann zum ersten Mal den Eisbach bezwingen wollte.
    Die Frau nahm ihr Brett und legte es knapp vor sich ins Wasser. Sprang sofort darauf und hielt trotz des reißenden Wasserstroms geübt das Gleichgewicht. Ihre Bewegungen waren elegant, ihre Querfahrten über das etwa sechs Meter breite Bachbett mutig. Die Leute klatschten vor Begeisterung.
    Über eine Minute surfte sie über die Wellen, lächelte glücklich hoch zu den Zuschauern und bemerkte nicht, wie der Kopf eines schnauzbärtigen Mannes mit entstellten Gesichtszügen ihr Surfbrett torpedierte. Der Aufprall hob die Surferin vom Brett. Sie landete im Eisbach, was früher oder später ohnehin immer der Fall war. Noch hörte sie die Schreie der Zuschauer nicht. Ein älterer Herr mit Strohhut sank zusammen, als er erkannte, dass nicht nur die Surferin, sondern auch ein toter Mann im Bachbett herumgewirbelt wurde. Eine Frau mit Fahrradhelm und schnittiger Sonnenbrille ließ ihr Handy vor Schreck in die Fluten fallen. Väter und Mütter rissen ihre Kinder an sich und rannten davon, um ihnen und sich den schrecklichen Anblick zu ersparen. Der braungebrannte, junge Mann gaffte regungslos auf die Wasserleiche. Die Surferin hatte sich ohnmächtig den Fluten ergeben. Zwei ihrer Freunde sprangen ins Wasser. Zu spät für die weitertreibende Leiche, rechtzeitig aber, um ihre Freundin aus dem Eisbach zu fischen.

[home]
    6
    A uf dem Weg zur Anwaltskanzlei überlegte Zeki Demirbilek, warum er Schwabing nicht mochte. Natürlich gab es keinen Grund. Wie konnte er Groll gegen einen Stadtteil hegen? Nur weil die Anwaltskanzlei dort lag? Der Gedanke war schnell wieder verflogen, als er an einem kleinen Reisebüro vorbeikam. Er blieb stehen und studierte das Angebot auf den Schaufensterplakaten. Antalya, zwei Wochen. Sonne und Meer. Warum nicht?, dachte er. Wie vor zwei Jahren, als die Ehe mit Frederike schon einmal kriselte. Frag sie einfach. Zeig ihr, dass du ein echter Türke bist, mit Herz im Leib und schwerer Romantik im Blut. Zeki musste bei der Vorstellung über sich selbst lächeln – ihm war es als Ermittler nicht fremd, Unmögliches als eine Möglichkeit in Erwägung zu ziehen.
    Es blieben ihm noch zehn Minuten bis zu dem Termin um elf Uhr. Frederike, so malte er sich aus, rauchte bestimmt noch eine Zigarette vor der Tür der Kanzlei. In etwa sechs Minuten würde sie sich des Atemsprays bedienen und mit genügend Nikotin im Blut mit dem Aufzug in den zweiten Stock zu Dr. Gerhard Vollrat hochfahren. Vollrat
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