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Kommissar Morry - Terror um Mitternacht

Kommissar Morry - Terror um Mitternacht

Titel: Kommissar Morry - Terror um Mitternacht
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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die unterste Falte des dreifach gewellten Kinnes in die Hand und schaute dem Inspektor dabei ziemlich ratlos in die Augen.
    „Nun?“ drängte Motley.
    Horace Motley war keineswegs ein schöner Mann. Er vermochte auch nicht den geringsten Ansprach darauf erheben, stattlichen Wuchses zu sein. Eher sah er schon aus wie der Buchhalter einer Düngemittelfabrik: klein und mit hoher, leicht vorspringender Stirn. Das Haar trug er im Bürstenschnitt. Das konnte als hochmodern gelten, aber er lief schon seit dreißig Jahren so herum. Seine Gesichtsfarbe war ungesund und blaß, die Augen hielt er verkniffen wie jemand, der zu lange in verqualmten Räumen gesessen hat.
    „Wir nannten ihn ,Count' ... er war für uns eben der Graf“, meinte Abe Shire.
    Der Polizeiarzt lehnte am Schanktisch und wischte mit einem weichen, himmelblauen Tuch an seiner Brille herum. Seine Augen traten krankhaft hervor.
    „Der Tod muß vor etwa einer Stunde eingetreten sein“, bemerkte er.
    Motley achtete nicht auf den Arzt.
    „Wie hieß er wirklich?" wollte er wissen.
    Der Wirt zuckte mit den massigen Schultern. Er trug einen sehr eleganten blauen Anzug mit weißen Nadelstreifen, der nicht so recht zu seinem grobschlächtigen Gesicht passen wollte.
    „Das muß mir passieren!“ stöhnte er. „In meinem Lokal!“
    „Machen Sie sich! keine Gedanken darüber“, tröstete der Arzt und setzte die Brille wieder auf. „Sobald die Presse die Geschichte verbreitet hat, wird Ihre Bude jeden Abend knallvoll sein.“
    „Hören Sie, Nighel“, sagte Motley zu dem Arzt. „Gehen Sie doch bitte nach Hause. Putzen Sie meinetwegen Ihre hübschen, praktischen Sezierbestecke. Morry hat mich beauftragt, hier eine kleine Untersuchung zu führen. Warum kommen Sie nicht auf den Gedanken, Ihre weisen Bemerkungen könnten als störend empfunden werden?"
    Der Doktor zeigte sich keineswegs getroffen. Er legte das himmelblaue Tüchlein sorgfältig zusammen und schob es dann in die Westentasche. „Nichts für ungut, Inspektor“, erwiderte er mit freundlichem Grinsen. „Sie wissen ja, daß ich gern dazu beitrage, eine Konversation zu beleben.“ „Sie haben noch nie etwas belebt“, brummte Motley. „Am allerwenigsten Ihre Patienten!“ „Tja“, meinte Nighel und schaute zu Boden. „Wir sind halt zu spät gekommen."
    „Wir nannten ihn einfach den Grafen“, fuhr der Wirt jetzt fort und hob seine fleischigen Hände. Dann ließ er sie wieder fallen. „Er sieht ... ich meine, er sah ja blendend aus... und er hatte ausgezeichnete Manieren. Nichts für ungut, Inspektor... aber Sie und ich, wir können höflich sein... doch wir treffen nie den gewissen Ton, diese destillierte Höflichkeit, wenn ich so sagen darf. Der Graf hatte sie!“
    „Er war sehr verbindlich?“
    „Ja“, bestätigte der Wirt. „Das wollte ich zum Ausdruck bringen.“
    „Mister Shire, warum haben Sie den Mann eingestellt?"
    „Gute Barmixer sind selten“, antwortete der Wirt. Auf seiner Stirn glänzte der Schweiß, obwohl es in dem halbdunklen Raum nicht besonders warm war. „Er begann hier vor genau vier Wochen. Er stellte sich als Cliffton soundso vor... den Namen habe ich vergessen. Ich wußte auch sofort, daß das nicht der richtige Name ist. Aber ich fragte nicht viel. Warum auch? Ich habe keine Verantwortung gegenüber der Gewerkschaft. Cliffton arbeitete auf reiner Provisionsbasis. Er war am Umsatz beteiligt. Ich muß sagen, daß er seine Sache gut machte. Die Mädchen waren ganz verrückt nach ihm, und mit den Männern kam er prächtig aus. Er konnte gewandt plaudern und wußte mit allen möglichen Dingen Bescheid.“
    „Wie meinen Sie das... mit allen möglichen Dingen?“ erkundigte sich Motley.
    „Naja, Sie wissen doch, wie das in einer Bar zugeht. Der eine redet vom Sport, der andere von der Börse, und ein dritter gibt überflüssige Kommentare zur politischen Lage. Na, und das war es eben. Der Graf kannte sich aus. Im Sport, im Wirtschaftsleben, in der Politik. Einmal hat er sich eine geschlagene halbe Stunde mit einem Nobelpreisträger der Literatur unterhalten. Der Schriftsteller war ehrlich begeistert. Ja, das war Cliffton. Er war gebildet, verstehen Sie? Ein cleverer Bursche.“
    „Dummerweise war er nicht clever genug, seinem Mörder auszuweichen“, meinte der Arzt.
    „Das ist richtig", gab der Wirt fast ein wenig erstaunt zu.
    „Nehmen wir einmal an, dieser Clifford war ein Verbrecher“, sagte Motley. „Unterstellen wir weiter, der Mann versuchte hier
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