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Komm zu mir, Schwester!

Komm zu mir, Schwester!

Titel: Komm zu mir, Schwester!
Autoren: Lois Duncan
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jedenfalls hätte sie nicht mit meinem Freund im Mondschein spazieren gehen dürfen! Und da machte Gordon auf Wütend wegen einer Sache, die nie passiert war, obwohl ich doch eigentlich diejenige war, die jeden Grund hatte, auszurasten und eine Szene zu machen.
    Ich sammelte meine Bücher zusammen und brachte sie zu meinem Schließfach. Meine Schließfachnachbarin war ein großes, sommersprossiges Mädchen namens Helen Tuttle, sie war gerade von einer Schule im Südwesten des Landes zu uns gekommen. Es stellte sich heraus, dass wir im selben Englischkurs waren, also aßen wir danach zusammen in der Cafeteria zu Mittag. Darlene und Mary Beth Ziegler kamen bald nach mir rein, aber sie guckten nicht mal in meine Richtung. Sie gingen an den Tisch am anderen Ende des Raumes, und es dauerte nicht lange, bis Blane, Tommy Burbank und ein paar andere von der Insel sich dort zu ihnen gesetzt hatten.
    Ich hatte mir ein Schinkensandwich und eine Cola geholt und vertrug beides gut. Ich wünschte mir schon fast, es wäre nicht so gewesen. Hätte ich mich nämlich mitten in der Cafeteria übergeben, hätte Blane oder sonst wer mit Sicherheit Gordon davon erzählt, und dadurch wäre meine Geschichte, gestern Abend krank gewesen zu sein, glaubhafter geworden.
    Helen musste mitgekriegt haben, dass ich nicht so ganz bei unserem Gespräch war, denn sie folgte meinem Blick und fragte: »Wen beobachtest du?«
    Â»Ach, das sind nur ein paar Leute, die da draußen wohnen, wo ich herkomme«, sagte ich. »So eine Art Clique.«
    Â»Die gibt’s wohl überall«, sagte Helen leichthin. Ich war in Versuchung, ihr zu erzählen, dass ich gestern noch dazugehört hatte, entschied mich aber dagegen. Die Situation war so verwirrend, dass ich sie jemandem, den ich gerade erst kennengelernt hatte, kaum erklären konnte.
    Nach Schulschluss blieb ich ein wenig zurück und ließ die anderen ohne mich zum Anleger gehen. Heute Morgen war ich schon mies genug behandelt worden, auf eine Wiederholung war ich nicht scharf. Aber ich trödelte zu lange herum, und am Ende musste ich die letzten Meter rennen, damit ich die Fähre nicht verpasste. Sie legte schon ab, als ich an Bord sprang. Halt suchend klammerte ich mich an den nächsten Arm und – Hallo, Schicksal! – zufällig war es Gordons.
    Â»Entschuldige«, sagte ich kühl und zog meine Hand schleunigst zurück.
    Â»Du bist entschuldigt«, sagte er, und etwas leiser fügte er hinzu: »Hör mal, Laurie. Ich hatte Zeit, mich abzuregen. Sei ehrlich mit mir, dann will ich mir gern deine Seite der Geschichte anhören. Was hast du gemacht da draußen …«
    Ich unterbrach ihn mitten im Satz. »So ein Zufall!«, blaffte ich. »Genau die Frage wollte ich dir stellen. Was läufst du eigentlich mit Nat am Strand rum, wo sie doch als Gastgeberin auf ihrer Party sein sollte?«
    Auf eine Antwort wartete ich nicht. Stattdessen drängelte ich mich an ihm vorbei und kletterte die Leiter zum schmalen Oberdeck rauf, dem Lieblingsplatz von meinem Bruder Neal. Oben angekommen fiel mir wieder ein, dass in der Grundschule am ersten Schultag kein Nachmittagsunterricht stattfand, die jüngeren Kinder waren also bestimmt schon mit der Mittagsfähre nach Hause gefahren. Da ich nun aber schon mal oben war, wollte ich nicht umkehren. Es sollte schließlich nicht so aussehen, als ob ich enttäuscht wäre, dass Gordon mir nicht gefolgt war. Ich ging also über die Laufplanke zu dem kleinen Sitzplatz über dem Bug.
    Dort hatte sich Jeff Rankin schon niedergelassen und las ein Buch.
    Meine Ankunft nahm er mit der für ihn typischen Ruppigkeit zur Kenntnis. »Warum bist du nicht unten bei der Clique? Gab’s Streit mit dem Freund?«
    Â»Das wär eine glatte Untertreibung.« Ich setzte mich neben ihn. Mit Jeffs Schroffheit hatte ich kein Problem. Er hatte das Recht dazu, so zu sein, fand ich. Wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre, hätte ich vermutlich auch die ganze Welt gehasst.
    Mr Rankin war vor vier Jahren nach Brighton Island gezogen. Er hatte einen Heimwerkerladen aufgemacht. Jeff, der normalerweise bei seiner geschiedenen Mutter im Norden des Staates New York wohnte, begann damals die Sommermonate mit seinem Vater zu verbringen. Im ersten Jahr war er vierzehn gewesen, ein auffallender dunkler Typ … also, in dem Alter hätte er überhaupt nicht so wahnsinnig gut aussehen
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