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Koerper, Seele, Mensch

Koerper, Seele, Mensch

Titel: Koerper, Seele, Mensch
Autoren: Bernd Hontschik
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Theorie? Hat sieeine Philosophie? Wie ist ihre Ethik? Muß man sich über das eigene Menschenbild bzw. das Menschenbild des eigenen Berufsstands im klaren sein, wenn man Menschen, kranke Menschen, behandeln will? Sosehr sich die Antwort auf diese Fragen auf den historischen Stand einer gegenwärtigen gesellschaftlichen Auseinandersetzung beziehen muß, so sehr sollte die Humanmedizin als Lehre von der menschlichen Heilkunde auch eine Basis haben, die sich auf ihre vieltausendjährige Geschichte, also auf etwas Übergesellschaftliches, bezieht. Es geht auf dieser dritten Ebene somit um das Paradigma, das Leitbild, die Grundlage der Heilkunst. Auch hier findet eine Art von Verteilungskampf statt, der jedoch als solcher stärker im verborgenen stattfindet als die gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung. Er findet zum Beispiel in den öffentlichen Auseinandersetzungen um die Gentechnik oder um die Stammzellforschung statt. Es ist also nicht nur wichtig, wieviel Geld in medizinische Forschung gesteckt wird (Ebene 2), sondern auch, welche Art von Forschung damit betrieben wird: Die Geldmenge, die in die Erforschung des genetischen Codes und seines Zusammenhangs mit Krankheiten investiert wird, wächst Jahr für Jahr explosionsartig an, gleichzeitig wird für die Stammzellforschung eine ethische Schranke nach der anderen niedergerissen. Dahinter steckt eine Idee, die ungefähr so lauten könnte: Viele Krankheiten haben wir bis heute nicht richtig verstanden, weil unsere Gentechnologie noch nicht soweit ist; wenn sie einmal soweit sein wird, dann werden wir viele Krankheiten nicht nur verstanden haben, sondern auch endlich behandeln, vielleicht sogar heilen können. Dieselbe Idee ist auch für den gegenwärtigen Boom der Neurobiologie, der Hirnforschung, verantwortlich.Es wachsen und gedeihen Universitätsabteilungen, die den Menschen als Maschine bis ins letzte Zahnrädchen zu erforschen suchen, denn das verspricht Profit und letztlich auch Macht, selbst wenn jeder weiß, daß man nicht Klavierspielen lernen kann, indem man einen Konzertflügel in immer kleinere Einzelteile zerlegt.
    Dagegen nimmt die Geldmenge, die in die Erforschung biopsychosozialer Zusammenhänge gesteckt wird, eher ab, und die zugehörigen Universitätsabteilungen – während der letzten Jahre etwa an den Universitätskliniken Frankfurt und Köln – werden geschlossen. Auch hinter diesem Konzept steckt eine Idee, die ungefähr so lauten könnte: Viele Patienten werden Tag für Tag nicht richtig verstanden, also auch nicht richtig behandelt, weil unser Verständnis für biopsychosoziale Zusammenhänge nicht weit genug entwickelt ist. Die individuelle Lebenskonstruktion eines Menschen in Krankheit und Gesundheit zu erkennen und damit im Sinne einer Heilkunst zu arbeiten verspricht aber weder Profit noch Macht. Diese Haltung erfordert persönlichen Einsatz, Lebenserfahrung, Lebenskunst – und mutet unter dem Diktat der Globalisierung wie Geldverschwendung an.
    Als Arzt beteilige ich mich täglich und ständig an diesem Verteilungskampf, der vor dem Hintergrund einer Auseinandersetzung um das Paradigma der Heilkunst stattfindet. Diese Auseinandersetzung ist ihrem Wesen nach gesellschaftspolitisch. Denn um das Gesundheitswesen zu einem profitablen Zweig der gesellschaftlichen Ökonomie zu transformieren, ist in der Medizin ein Menschenbild vonnöten, in dem der Mensch wie eine technische, physikalisch-chemische Maschine funktioniert. Die Vorstellung vom Menschen als Maschine ist unverzichtbarfür die Generalisierung, ohne die die modernen ›Gesundheits‹-Konzepte nicht funktionieren können; nur unter dieser Voraussetzung greifen schematische Denkmodelle wie etwa die Klassifizierung aller Krankheiten im ICD (International Classification of Diseases), das Managed Care, die DRG’s (Diagnosis Related Groups) in den Krankenhäusern oder die DMP’s (Disease-Management-Programme), die derzeit alle Bereiche unseres Gesundheitswesens in den Griff zu bekommen versuchen. Einem Diabetiker, der sich einem Disease-Management-Programm unterwirft, gesteht seine Krankenkasse eine Reihe von ökonomischen Vorteilen zu, angefangen bei der erlassenen Praxisgebühr bis hin zu niedrigeren Zuzahlungen. Der Patient muß Schulungen besuchen, sich regelmäßig und pünktlich zu Kontrollterminen einfinden und wird mit Hilfe eines Laborwerts wegen möglicher Blutzuckerentgleisungen streng überwacht. Für seine Behandlung gibt es detaillierte Vorschriften und Leitlinien,
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