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Königskind

Königskind

Titel: Königskind
Autoren: R Merle
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dürft mir glauben, das wissen die
     Habsburger. Hätten sie Jülich sonst preisgegeben, ohne mit der Wimper zu zucken?«
    »Monsieur«, sagte Madame de Guise, »wollt Ihr gefälligst aufhören mit Euren aufrührerischen Reden. Sie verletzen mein Ohr.
     Außerdem sind sie aus der Mode. Seit Maria die Regentschaft innehat, ist keine Rede mehr davon, die Habsburger zu bekriegen,
     sondern sie zu heiraten. In Wien haben sie kleine |17| Erzherzoginnen und in Madrid Infanten und Infantinnen zuhauf, mit denen sie nichts anfangen können. Und bei uns im Louvre
     gibt es genug Kinder Frankreichs. Was kann man Besseres tun, als sie zu vermählen?«
    »Was höre ich da?« rief mein Vater. »Unser armer Henri ist kaum im Grab erkaltet, da werden bereits Ehen mit den schlimmsten
     Feinden des Königreiches angebahnt, mit denen, die unter Heinrich III. und Henri Quatre nichts unversucht gelassen haben,
     in Frankreich den Bürgerkrieg zu säen in der einzigen Absicht, unser Land zu zerstückeln?«
    »Monsieur, bitte«, sagte Madame de Guise betreten, »ver geßt meine Worte, meine Zunge war zu voreilig. Die spanischen Heiratspläne stecken noch in den Kinderschuhen. Vergeßt meine Worte,
     ich flehe Euch an. Im Augenblick will Madrid uns für den kleinen König nur eine jüngere Infantin genehmigen. Aber wir wollen
     die älteste. Sie oder keine! Anders verhandeln wir gar nicht!«
    »Ob älter, ob jünger«, knurrte mein Vater, »was macht das schon! Nichts gegen kleine Infantinnen, aber solches Gemüse, jung
     oder weniger jung, widerstrebt französischen Mägen. Ob älter oder jünger, Herrgott! Wenn das den ganzen Unterschied zwischen
     Paris und Madrid ausmacht, den wird der Papst, der sich aufs Anrichten von Salaten versteht, im Handumdrehen bereinigen.«
    »Nein, Monsieur! So sprecht Ihr nicht vom Heiligen Vater!« rief Madame de Guise. »Eure antipapistische Wut dreht mir das Herz
     im Leibe um! Aber man sagt ja auch: der Hund kehrt immer zu seinem Auswurf zurück! Denn woher, das frage ich Euch, kommt Ihr
     zu solchen Reden gegen den Papst, wenn nicht aus Eurer einstigen Religion?«
    »Madame«, sagte mein Vater auffahrend, und seine Stimme klang wie ein Peitschenhieb, »ich warne Euch, wenn Ihr mir nach diesem
     Hund auch noch mit dem Faß und dem Hering 1 kommt, verlasse ich den Raum.«
    Madame de Guise errötete, sie wogte wie eine Welle im Wind, dann trat sie auf meinen Vater zu, daß sie ihn fast berührte,
     ergriff seine Hand und drückte sie.
    »Mein Freund!« sagte sie mit bebender Stimme, indem sie |18| die erschrockenen Augen zu ihm hob, als frage sie sich, wie sie sich zu diesem Fels aufschwingen solle, der sie so hoch überragte,
     »ich wäre schön dumm …«
    »Das seid Ihr in der Tat«, knurrte mein Vater zwischen den Zähnen.
    »Schön dumm«, fuhr sie fort, als hätte sie nichts gehört, »und dazu höchst unvorsichtig, wenn ich Euch ausgerechnet heute
     erboste, da ich mir von Euch einen besonderen Beweis Eurer Zuneigung erwarte …«
    Das wurde mit zugleich echter und gespielter Naivität und mit einem sehr eigenen, kleinen Funkeln in den himmelblauen Augen
     gesagt. Diese Mischung machte auf meinen Vater sichtlichen Eindruck, denn er gab seine steife Haltung auf und neigte sich
     Madame de Guise zu, die einen scheinbar so unterwürfigen Blick zu ihm emporrichtete.
    »Madame«, sagte er mild, »ist es nicht widersinnig, daß Ihr an diesem Hund Geschmack findet, obwohl Ihr so verabscheut, was
     Ihr seinen Ketzergeruch nennt, was aber in Wahrheit nur Treue zu unserem toten König und den großen Interessen dieses Reiches
     ist? Aber ich fürchte, das werdet Ihr nie verstehen. Darum laßt uns besser einen Handel schließen, wenn Ihr wollt. Ihr sprecht
     nicht mehr von ›Hund‹ und ›Heringsfaß‹, und ich werde nicht mehr sagen, daß die lautstarken, öffentlichen Schluchzer, mit
     welchen der Papst zu Rom den Tod unseres Henri beklagte, mich anmuteten wie die Tränen, die man Krokodilen zuschreibt.«
    »Wie könnt Ihr nur!« rief die Herzogin, indem sie seine Hand losließ und ihre molligen Arme zum Himmel streckte. »Mein Gott!
     Was für eine Bosheit, so etwas von Seiner Heiligkeit zu denken! Und, was noch schlimmer ist, es auch noch auszusprechen!«
    Trotzdem protestierte sie nicht weiter, denn mein Vater, der behaglich in seinen Schnurrbart schmunzelte, weil er ihr diesen
     Stich versetzt hatte, nahm sie in die Arme. Woraufhin ich mich schleunigst zu meiner Studierstube aufmachte, wo mein
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