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Königskind

Königskind

Titel: Königskind
Autoren: R Merle
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Eurem Palais, wenn Ihr mir das Beispiel
     erlaubt, kann man keine zwei Schritte gehen, ohne auf einen langen Lümmel in Livree zu stoßen, der da mit müßigen Händen zur
     bloßen Schau herumsteht. Ihr könntet zwanzig dieser Nichtstuer entlassen und wäret nicht schlechter bedient.« – »Zwanzig meiner
     Lakaien entlassen!« entrüstete sich die Herzogin. »Was Ihr Euch denkt! |11| Soll es überall heißen, daß ich ruiniert bin?« – »Das seid Ihr doch!« – »I bewahre! Die Königin gibt mir, wenn meine Mittel
     erschöpft sind.« – »Eure Schulden sind Euch eben gleichgültig. Ich wette, Ihr wißt nicht einmal, wie hoch Ihr verschuldet
     seid!« – »Richtig, und da Ihr mich daran erinnert, will ich es Monsieur de Réchignevoisin gleich heute abend fragen.« – »Einen
     schönen Sachwalter habt Ihr an dem! Er bestiehlt Euch vorn und hinten, um seinem geliebten Zwerg die Taschen zu stopfen. Unter
     uns, Madame, wie könnt Ihr unter Eurem Dach eine solche Unzucht dulden?« – »Oh, Monsieur, was macht das? Der Zwerg ist so
     klein!«
    Weil Louison sich zu meiner Siesta verspätete, beobachtete ich von meinem Kammerfenster, wie unsere Leute sich im Hof sammelten.
     Die Männer fanden sich als erste ein und witzelten, wenn auch gedämpft, daß unsere Kammerfrauen sich offenbar wie für einen
     Ball herausputzten, weil sie so lange auf sich warten ließen. Dabei entging mir nicht, daß sie sich alle Mühe gaben, in ihren
     Festkleidern so düster und entschlossen auszusehen, wie es loyalen Untertanen geziemt, die sich zur Urteilsvollstreckung an
     einem Königsmörder begeben. Gleichzeitig vermochten sie aber nicht ganz zu verhehlen, welche Lustbarkeit sie sich von diesem
     denkwürdigen Ereignis versprachen, natürlich auch davon, es gebührend ausgeschmückt ihren Kindern und Enkeln zu erzählen.
    Die Genugtuung in ihren feierlichen Mienen erhöhte sich noch, als endlich unsere Kammerfrauen sich so schmuck in ihren frischen
     Kotillons, den ausgeschnittenen Miedern und kurzen Ärmeln über den hübschen bloßen Armen zu ihnen gesellten.
    »Alsdann!« sagte Poussevent mit ernster Stimme, aber blitzenden Augen. »Bis zur Conciergerie ist es ein gutes Stück. Machen
     wir uns stracks auf die Beine.«
    Wie bezeichnend, dachte ich, daß sie dorthin wollten! Denn natürlich hätten unsere Leute gleich zum Rathaus gehen können,
     wo ja das Blutgerüst errichtet war mit dem solide vertäuten Rad darauf, damit es dem Zug der vier starken Gäule standhalte,
     die dem Elenden seine vier Gliedmaßen vom Leibe reißen sollten. Aber nein! Nichts wollten sie auslassen, schon gar nicht die
     gräßliche Prozession versäumen, die Ravaillac von der Conciergerie (wo man ihn mit anderen Gefangenen |12| eingesperrt hatte, die ihn, auch wenn sie noch so schlimme Verbrecher und manche davon schon zum Galgen verurteilt waren,
     mit Schimpf und Schande überschüttet hatten), die gräßliche Prozession, sage ich, die Ravaillac im Henkerskarren nach Notre-Dame
     führen würde, wo er öffentliche Abbitte leisten sollte, und von dort zum Platz vor dem Hôtel de Ville, wo man alles daran
     setzen würde, ihn so lange wie möglich zu quälen.
    »Wahrlich, Herr Marquis!« sagte Poussevent, als er drei Stunden später mit seiner kleinen Truppe wieder bei uns eintraf, »es
     ist ein Wunder, daß der Elende aus der Conciergerie überhaupt herausgekommen ist, ohne zerfleischt zu werden! So viele Wachen
     und Arkebusiere ihn auch schützten – die Masse hätte ihn ums Haar in Stücke gerissen; sowie er erschien, stürzte alles auf
     ihn los, manche entfesselten Weiber kratzten und bissen ihn sogar, und das bei einem Gebrüll der Menge, das Hunderte Löwen
     nicht reißender gekonnt hätten. Schließlich setzte sich der Karren in Gang, aber da wurde es noch schlimmer: aus den Fenstern
     beugten sich alte Weiblein und warfen unter greulichem Gekreisch wer weiß wie viele Thymian-, Majoran- und Basilikumtöpfe
     auf Ravaillac. Und diese alten Pariserinnen, Herr Marquis, müssen schon eine heiße Wut im Leibe haben, wenn sie ihre geliebten
     Kräutertöpfe opfern, den einzigen Garten, den sie haben, wie der gute Faujanet sagt. Jedenfalls wäre der Mörder auf der Stelle
     hingewesen, hätten die Henker ihn nicht mit großen Schilden geschützt.«
    »Und sich schelber auch, Möschjöh le Marquis«, sagte Mariette, die ihre redselige Auvergnatenzunge nicht länger im Zaum halten
     konnte. »Wo die Kräutertöpfe doch keine Augen haben, ob
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