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Klotz, Der Tod Und Das Absurde

Titel: Klotz, Der Tod Und Das Absurde
Autoren: Christian Klier
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»dieses Hiltpoltstein, dieses
Göring, das gehört doch gar nicht zu unserem Einsatzgebiet. Ist das nicht schon
Oberfranken?«
    »Vor zwei Monaten eingemeindet worden. Gehört jetzt zum Kreis
Nürnberger Land.«
    »Warum das denn?«
    Klotz bekam keine Antwort. Er sah die Sandsteinfassade des
Gerichtsgebäudes näher kommen und murmelte: »Aha. Es wächst zusammen, was
zusammengehört.«
    Schließlich hakte er nach: »Göring, soso. Und du glaubst, dass wir
da richtig sind?«
    »Äh, ja, wieso?«
    »Wenn du auf die B 2 willst, dann musst du doch Richtung
Bayreuth. Das ist genau in der anderen Richtung! Ich glaube, du verwechselst da
was!«
    Klotz deutete energisch nach rechts, auf das Gerichtsgebäude, an dem
sie gerade vorbeifuhren. Escherlich lief für einen Moment rot an und wendete
den Wagen bei nächster Gelegenheit.
    Als Klotz aus dem Wagen stieg, bemerkte er sofort, dass der Boden
hier nicht besonders fest war. Noch immer schien die Sonne, aber es hatte
leicht zu nieseln begonnen. Schlecht. Das war immer schlecht für einen Tatort.
Versaute die Spurenlage. Mit seiner Linken klammerte er sich an die Oberkante
der geöffneten Beifahrertür, um nicht auszurutschen, und mit der Rechten
drückte er in Höhe der inneren Brusttasche leicht gegen seinen Lodenmantel.
Alles in Ordnung. Das Diktiergerät war mit dabei.
    Er sah in die Senke, von der sie gekommen waren, sah die Krähen
durchs Feld wippen, eingehüllt in Nebelschwaden, sah den Feldweg hinunter, der
weiter unten, beim Ausfall auf die Teerstraße, zu einem Kiesweg wurde. Zuseiten
dieses kleinen Wegabschnitts standen ein altes, dunkles Backsteinhaus und ein
Trafohäuschen, dessen grauer Rauputz rissig war und an nicht wenigen Stellen
das dahinterliegende Mauerwerk freigegeben hatte. Klotz fühlte sich irgendwie
an seine Kindheit erinnert.
    »Kommst du jetzt, oder was? Wir sind eh viel zu spät!«, riss ihn
Escherlich unsanft aus seinen Betrachtungen.
    Escherlich ließ eine halb aufgerauchte Zigarette auf den
angefeuchteten Boden fallen. Kurzes Zischen, aus.
    »Heb das sofort auf! Das ist ein Tatort, du Ei!«, raunzte Klotz
seinen Kollegen an.
    Schuldbewusst hob Escherlich die Kippe auf und steckte sie in den
Aschenbecher des Opel. Währenddessen hatte Klotz sein Diktiergerät aus der
Mantelinnentasche geholt.
    »Eins. Zwei. Test. Test.«
    »Riecht irgendwie nach Baustelle hier. Findest du nicht?«,
unterbrach Escherlich die Probeaufnahme.
    »Ja. Jetzt, wo du’s sagst. Siehst du eine?«
    Klotz drehte sich um und sondierte das Terrain. Noch mal blieb sein
Blick bei dem kleinen Stück Kiesweg hängen, auf dem zwei schnauzbärtige
Dorfpolizisten, deren Bekanntschaft sie eben hatten machen dürfen, ihren
Einsatzwagen geparkt hatten. Die beiden hatten die Aufgabe, das herbeiströmende
Volk davon abzuhalten, den Weg Richtung Tatort zu beschreiten. Einer der
Schnauzbärte hatte Block und Schreiber gezückt. Vermutlich protokollierte er
irgendwelche Phantasiegeschichten, die sich als Zeugenaussagen getarnt hatten.
War denen doch tatsächlich eingefallen, das Blaulicht anzuschalten, um die
Schaulustigen abzuhalten. Auf welcher Polizeischule lernte man denn so was?
Klotz hatte ihnen ordentlich den Marsch geblasen: Dienstaufsichtsbeschwerde und
Versetzung in die Oberpfalz, tschechische Grenze, wenn sie nicht umgehend
dieses unsinnige blaue Feuerwerk abschalten würden. Trotzdem standen sich da
unten immer noch etwa ein Dutzend Leute die Füße platt.
    Kriminalkommissaranwärter Zebisch war gerade dabei, das weiß-rote
Absperrband um einen Baum zu wickeln, um es dann über den Weg ziehen zu können.
Letzte Woche hatten sie ihn aus Fürstenfeldbruck hier runtergeschickt. Außer
dass er etwas wortkarg war, zeichnete er sich durch ein kantig-maskulines
Gesicht aus. Irgendwie fühlte Klotz sich an einen alten englischen Lord
erinnert, wenn er den Anwärter sah, obwohl dieser naturgemäß ja eigentlich noch
recht jung war.
    »Guten Morgen, Herr Hauptkommissar«, begrüßte Zebisch den
Vorgesetzten, der mit schwerem Schritt heranstapfte.
    »Krawatte, Zebisch. Die Krawatte sitzt nicht richtig«, war die
lapidare Antwort.
    Sichtlich pikiert zurrte Zebisch den Krawattenknoten nach oben,
während die beiden Kommissare sich weiter in Richtung Tatort auf den Weg
machten. Klotz zückte das Diktiergerät: »Tatortbegehung Göring Strich
Hiltpoltstein, 17. Dezember 2006, Uhrzeit neun Uhr achtundzwanzig.«
    Nachdem sie an dem Krankenwagen vorbei waren, konnten sie am rechten
Wegrand,
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