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Klondike

Titel: Klondike
Autoren: James A. Michener
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sein als die andere?«
    »Hast du denn kein Gefühl für die geographische Lage? Hast du keine Vorstellung von Kanada?«
    »Ich kann mich nicht sonderlich für Kanada begeistern«, gestand der Jüngere, »und noch weniger für Südafrika oder Indien.« Er machte keinen Spaß, der hübsche Neunzehnjährige, der noch die Schule in Eton besuchte und mit seinem leichten Faible für die Klassiker nach Oxford überwechseln sollte.
    »Kanada liegt im Norden der Vereinigten Staaten, wie du wohl wissen wirst«, sagte Lord Luton, »und genau das ist es, was mich so erbost.«
    »Verstehe ich nicht.«
    Croissants und Karaffen zu Hilfe nehmend, deutete Seine Lordschaft die Umrisse Nordamerikas an, eine Teetasse auf der äußersten linken Seite stellte Alaska dar. »Dieser amerikanische Goldregen, von dem wir laufend hören, stammt eigentlich aus Kanada, mußt du wissen. Nicht ein Farthing auf amerikanischer Seite.« Er bediente sich eines kleinen silbernen Teelöffels, um den Yukon anzudeuten, wie er sich entlang der Grenze zu Alaska in den Nordwesten Kanadas seine Rinne bahnte. »Genau an dieser Stelle liegt das Gold, auf unserer Seite.«
    »Was soll daran so beklagenswert sein?« fragte Philip, eines der bedeutungsschweren Worte benutzend, die es ihm neuerdings so angetan hatten.
    »Um an das Gold zu kommen, das ganz auf kanadischer Seite liegt, muß man sich durch ebendieses ›beklagenswerte‹ Alaska schlängeln . « Er fing Philips Grinsen auf, und der junge Mann sagte: »Du hast schon wieder eines meiner Worte benutzt.«
    »Ach, tatsächlich? Welches war es denn diesmal?«
    »Beklagenswert.«
    »Und wenn schon, es ist beklagenswert, wenn man bedenkt, daß wir gezwungen sind, amerikanisches Territorium zu passieren, um dahin zu gelangen, was ohnehin uns gehört.«
    Luton, wie die meisten jungen Männer, die eine ähnliche Erziehung genossen hatten, betrachtete alle Gebiete auf seinem Globus, die rot gekennzeichnet waren, als im Besitz der britischen Krone. Politische Entwicklungen interessierten ihn nicht sonderlich, und er hatte nicht bedacht, daß Kanada bereits 1867, als er selbst gerade die ersten Schritte im Kinderzimmer tat, die Eigenstaatlichkeit zugesprochen worden war. Indien, Südafrika, Kanada, sie alle waren Bestandteile des unvergleichlichen britischen Empires, nicht wie die amerikanischen Staaten, die so töricht und unverschämt gewesen waren, gegen Englands kultivierte Herrschaft zu rebellieren.
    Philip brauchte keine Erklärung für die Haltung seines Onkels, und so fragte er bloß: »Gibt es keine andere Möglichkeit?«
    »Um das herauszufinden, sind wir ja hier, und morgen fangen wir mit unseren Nachforschungen an. Wir müssen etwas Kapital für deine Kasse auftreiben.«
    Natürlich hätte Luton auch daheim bleiben und seinen Neffen allein losschicken können, seine Geldangelegenheiten in Ordnung zu bringen, aber das war nicht seine Art.
    Auch er hatte einst Eton besucht, ohne sich auf einem bestimmten Feld besonders auszuzeichnen, außer auf dem Cricketfeld, hatte sich später durch ein paar Semester Oxford laviert und nur den niedrigsten akademischen Grad erreicht.
    In beiden Schulen hatte er ein bißchen geboxt, »um sich fit zu halten«, wie er sich ausdrückte, und den Frauen ein wenig nachgestellt, die in der Schauspielkunst brillierten. Seinen Freunden war er als ein Liebhaber wirkungsvoller Auftritte bekannt, wenn er zum Beispiel in vollständiger Militärmontur erschien, aber aus der Zeit Wilhelm von Oraniens, um dann dem öffentlichen Vortrag eines Generals zu lauschen, der sich im Krieg gegen Afghanistan hervorgetan hatte. Ein Händedruck von Luton galt mehr als jeder notariell beglaubigte Vertrag, und seine Freunde vermuteten, daß er schon sehr bald um die Hand einer der vielen jungen Frauen aus guter Familie anhalten würde, die er zu den Bällen und nach Ascot begleitete. Bevor er sich jedoch zu diesem gravierenden Schritt entschließen wollte, hatte er sich in die Idee verliebt, eine kleine Schar gleichgesinnter Engländer auf einem Abenteuerzug zu den Goldfeldern anzuführen.
    »Morgen werde ich Harry einen Besuch abstatten«, sagte er jetzt zu seinem Neffen. »Wenn wir doch fahren sollten, und ich glaube, das werden wir, dann will ich ihn dabeihaben.«
    »Ich auch«, sagte Philip mit ungeheuchelter Begeisterung, denn Harry Carpenter war einer der Engländer, dem alles leicht von der Hand zu gehen schien. Siebenunddreißig Jahre alt und Absolvent einer weniger angesehenen Schule als Eton,
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