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Klondike

Titel: Klondike
Autoren: James A. Michener
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Forschungsreisen, die die Phantasie einer ganzen Generation junger Engländer angeregt hatten, waren es die Expeditionen in die Hocharktis, unerschrockene Männer auf der Suche nach der berüchtigten Nordwestpassage, die Luton am meisten gefesselt hatten. Während seiner Studienzeit in Oxford hatte er alle Berichte gelesen, die er darüber auftreiben konnte und in denen die tapferen Männer über ihre Forschungsreisen in den hohen Norden berichteten: Sir John Ross, Sir William Edward Parry, der den Nordpol erreichen wollte, Sir Robert McLure, der Entdecker der Passage durch die arktischen Gewässer. Keine dieser heroischen Taten hatte Luton mehr berührt als die des ehrenhaftesten unter ihnen, Sir John Franklin, jener tragischen Gestalt, die 1847 bei dem kühnen Versuch, einen Schiffsweg durch das Eis zu finden, mit der tüchtigen Mannschaft untergegangen war.
    Als intimer Kenner der Strapazen, denen die englischen Forschungsreisenden unterworfen waren, glaubte sich Luton genügend vorbereitet, jeder Herausforderung gewachsen zu sein, die sich ihm bei einem so vergleichsweise einfachen Unterfangen wie der Suche nach Gold in den Weg stellen könnte. Er würde Gebiete durchstreifen nicht weit entfernt von den Landstrichen, die die Polarforscher einst entdeckt hatten, vielleicht sogar auf den Spuren John Franklins wandeln, der im Laufe einer frühen Reise, versehen mit dem Auftrag, den Küstenverlauf des arktischen Ozeans zu skizzieren, einst den Mackenzie hinuntergesegelt war.
    Lord Luton hegte keine Zweifel, daß seine Mission von Erfolg gekrönt sein würde. Bei mehreren Gelegenheiten hatte er bereits bewiesen, daß er furchtlos Taten vollbrachte, die einigen Mut verlangten, doch wenn man ihn danach fragte, wies er das weit von sich. »Ich und keine Furcht? Wer hat Ihnen denn das eingeredet? Hat man Ihnen auch erzählt, wie ich mir das letztemal vor Angst beinahe in die Hosen gemacht hätte?« Für ihn waren die nur bruchstückhaften Meldungen, die London erreichten, von erheblichen Gefahren, die so einen Goldrausch begleiteten, lediglich eine willkommene Herausforderung, was er gleichwohl niemals zugegeben hätte, denn seine früheren Abenteuerreisen hatte er unter dem Vorwand angetreten, wissenschaftliche Forschung zu betreiben, seinen Wissensdurst stillen zu wollen, und auch dieses Mal hatte er bereits eine Erklärung parat.
    »Ich möchte nur meinem Neffen ein wenig unter die Arme greifen. Das müßt ihr verstehen«, entschuldigte er sich vor sich selbst und anderen.
    Besagter Neffe, Philip Henslow, neunzehn Jahre alt, war der Sohn von Lord Lutons älterer Schwester, und da ihn das gleichzeitig zu einem Enkel des Marquis von Deal machte, lag die Vermutung nahe, daß er Geld gar nicht nötig hatte.
    Das war jedoch nicht der Fall. Seine Mutter, die als Tochter eines Marquis das Recht genoß, den Titel Lady Phyllis zu führen, offenbarte ihre ganze Leidenschaft und zugleich ihre klägliche Menschenkenntnis, als sie die harsche Kritik ihres Vaters ignorierte und mit einem jungen Kerl namens Henslow durchbrannte, den als Schwiegersohn zu akzeptieren der Marquis sich geweigert hatte; in seinen Augen war ihr Geliebter vorlaut, liberal und außerdem katholischen Glaubens.
    »Henslow ist genau der windige Typ Mann, den Königin Elisabeth an den Galgen gebracht hätte, weil er sich nämlich an der Verschwörung beteiligt hätte, die Regentin zugunsten von Maria Stuart vom Thron zu stürzen.«
    Lady Phyllis und ihr Sohn Philip wurden von dem eigensinnigen Marquis enterbt, und da der im Grunde liebenswerte Henslow nur über äußerst geringe Mittel verfügte, war die Familie mehr oder weniger in Bedrängnis geraten. Natürlich wäre Lord Luton beim Tod des Marquis, sollte er jemals sterben, in der Lage gewesen, ein Teil des Vermögens der Familie Deal an seine Schwester und ihren Sohn Philip weiterzugeben, aber im Augenblick lebte der alte Mann noch, und man war auf Unterstützung angewiesen.
    Die Liebe zum Abenteuer auf seiten Lord Lutons und die Bedürftigkeit auf seiten des Neffen, diese beiden sich widersprechenden Gründe waren es, die den Onkel einen Bediensteten zu ihm schicken ließen, um Philip von seinen Studien loszureißen und ihn in den Club Seiner Lordschaft nach Mayfair einzuladen. »Wirklich, Philip«, versuchte Lord Luton seinem Neffen zu erklären, während sie dort an einem Juliabend dinierten, »es ist eine Frage des Patriotismus.«
    »Warum sollte wohl eine Route zu den Goldfeldern weniger
    patriotisch
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