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Kleine Rache zwischendurch (German Edition)

Kleine Rache zwischendurch (German Edition)

Titel: Kleine Rache zwischendurch (German Edition)
Autoren: Walter Fritz Müller
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der Moderator Julia Getti. Und genauso sah diese Gesellschaft sie auch. Gewiss: Julia war schön. Sie war traumhaft schön. Sie hatte lange gerade Beine, edel geschwungene Hüften, wohlgeformte Brüste. Üppiges Haar in der Tönung Crystal Brown umschloss das ovale Gesicht. Ihre Lippen waren vielleicht eine Idee zu schmal, aber ihre großen, manchmal kindlich in die Welt blickenden Augen, und die langen Wimpern ließen darüber hinwegsehen. Ihre kräftigen Augenbrauen verrieten Angriffslust, aber alle Männer im Saal deuteten das als Signal, es mit dieser krallenbewehrten Katze aufzunehmen. Ihre Fingernägel glänzten tatsächlich tiefschwarz, wie in ihrer Kindheit, nur war die Farbe damals unter ihren Nägeln gewesen.
    Julia galt als hübsches, verwöhntes und teures Spielzeug eines reichen Anwalts. Selbst ihr Ehemann sah sie kaum anders. Welch ein Irrtum! Nur Rex Palmer ahnte, was hinter ihrer glatten Stirn zuweilen vorging. Gedanken, deren Schärfe die schmalen Lippen verrieten, wenn Julia sich unbeobachtet glaubte. Rex Palmer war der Einzige hier, der Julias Talente kannte und schätzte. Er war vielleicht der Einzige überhaupt, der ahnte, was sie trieb, seit ihre Eltern auf einer Reise in Indien spurlos verschwunden waren.
    Die Gettis begrüßten getrennt ihre Gäste. Das gefiel Armin gar nicht, denn er prahlte gern damit, eine so junge und schöne Frau zeigen zu können. Aber Julia fand, dass sie beide doch recht unterschiedliche Themen liebten. Seine Gespräche waren ihr zu sehr kommerziell. Es ging ihm und den Gästen, mit denen er sich lange unterhielt, fast immer ums Geschäft, wogegen sie lieber über die angenehmen Nebensachen des Lebens plauderte. Aber das schob sie nur vor. In Wahrheit mied sie sorgfältig den einen oder den anderen, wenn er so unvorsichtig sein sollte, hier in der Villa zu erscheinen.
    Julia wurde von den Männern diskret umschwärmt. Es gab in dieser sich aristokratisch gebärdenden Gesellschaft selbstverständlich keine offenen Angebote. Man beließ es bei Andeutungen, die aber darum nicht weniger deutlich waren. Aber die Wünsche der Männer unterschieden sich sehr. Die einen waren von Julia fasziniert und wollten sie erobern und vielleicht sogar auf Dauer gewinnen, die anderen wollten sie nur verführen, um Armin Getti zu demütigen. Man neidete ihm nicht nur seinen beruflichen Erfolg, sondern auch dieses zwanzig Jahre jüngere weibliche Idealbild. Aber das galt nur für eine Minderheit. Die Mehrzahl wollte Julia aus dem einfachsten Grund der Natur besitzen. Gemildert wurde dieses Verlangen nur durch die zu erwartenden erschreckend hohen Betriebskosten, die das Spielzeug Julia allen sichtbar verursachte.
    Die Frauen beobachteten sie äußerst argwöhnisch. Es wäre ein Fressen ersten Ranges für die Klatschspalten gewesen, hätte man Julia in einer zweideutigen Situation überraschen können. Rex gewann langsam den Eindruck, manche besonders auf einen Skandal erpichte Damen animierten sogar junge Männer, Julia zu provozieren. Einmal, da war Julia frisch mit Armin verheiratet, kam er dazu, wie ein Fotograf gerade abdrücken wollte, als ein Mann stolperte und im Fallen Julia auf eine Couch warf. Der Inhalt seines Sektkelches ergoss sich dabei über ihr sehr zartes Kleid und machte es an besonders reizvollen Stellen durchsichtig. Die Szene war ungeschickt angezettelt worden und wirkte ziemlich grotesk. Julia schob den Burschen mit den Fingerspitzen von sich herunter, ging nach oben, ohne ihn anzusehen, ohne einen Vorwurf zu erheben und erschien wenig später in einem jener strengen Kostüme, in denen erfolgreiche Geschäftsfrauen sich neuerdings zeigten. Es gab kein Foto, weil Rex den Reporter versehentlich angerempelt hatte. Es musste ein Versehen gewesen sein, denn eine so rasche Reaktion traute dem fülligen Rex niemand zu. Aber er war flink. >Flink wie alle Dicken<, hatte Balzac einmal geschrieben. Rex entschuldigte sich trotzdem, und er zischte dem verdutzten Fotografen ins Ohr, er solle schleunigst verschwinden, wenn er keine Fotoerlaubnis habe.
    Doch weder die Begierde der Männer noch Julias korrektes Auftreten verhalfen ihr zu gesellschaftlicher Anerkennung. Sie war und blieb bis heute das Barbiepüppchen des Rechtsanwalts Dr. Armin Getti. Eines Tages würde es ihm langweilig werden mit dem Püppchen, und er würde sich scheiden lassen. Es wurden schon Wetten abgeschlossen, wie lange dieses sehr zärtliche Verhältnis noch halten könnte, oder wer reich genug sei, diese
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